Irish Folk der frühen Jahre

The Chieftains, Bear’s Sonic Journals: The Foxhunt – San Francisco 1973 & 1976. Presented By The Owsley Stanley Foundation (Universal Music Ireland)

17. März 2023

Lesezeit: 2 Minute(n)

mit ausführlichem, anspruchsvollem 36-seitigem Infobooklet über die Entstehungsgeschichte der Aufnahme

Die historische, bisher unveröffentlichten Liveaufnahmen der Chieftains aus den Jahren 1973 und 1976 gehen zurück auf den US-amerikanischen Soundman Owsley Stanley (genannt „Bear“). Der Gitarrist seiner Band Grateful Dead, der mit dem Chieftain Paddy Moloney befreundete Jerry Garcia, hatte die Iren nach San Francisco gebracht. Die Albumproduktion war das letzte Projekt des umtriebigen Moloney, der 2021 im Alter von 83 Jahren starb. In keinster Weise mit heutigem Spielstandard vergleichbar, lässt das Doppelalbum zwei Konzertmitschnitte der ganz frühen Bandbesetzung hören. So sind neben der späteren Bandikone noch Martin Fay an der Fiddle († 2012), Peadar Mercier am Bodhrán († 1991), Michael Tubridy an Flute und Konzertina, Seán Potts an der Tin Whistle († 2014), Derek Bell an der Harfe († 2002) sowie Seán Keane ebenfalls an der Fiddle dabei. Bei allen tollkühnen Tempoverstrickungen, zu denen es beim Liveauftritt kam, ist doch die Fingerfertigkeit der jungen Chieftains und ihre überschwängliche, lautstarke Bühnenperformance in all ihrer Anachronizität beeindruckend. Speziell Paddy Moloney selbst skandiert mit seinen Pipes heroische Tempi und zeigt hohes spielerisches Können seines alten Stils. Viele Hits der frühen Stunde gehören zum Liveprogramm – für den eingefleischten Chieftains-Fan ein Muss –, was einem ein bewunderndes, aber auch wehmütiges Lächeln abringt. Solche Musik gibt es heute nicht mehr. Es finden sich auch diverse interessante Tunes in den verschiedenen typischen Chieftains-Medleys, die es in dieser Form auf kein Studioalbum geschafft haben. Viele Stücke, so auch die beschwingte O’Carolan-Suite, werden durch den fröhlichen Livespirit und die wirklich gute Aufnahmequalität von Bear nochmals deutlich aufgewertet. Als Bonus gibt es Ausschnitte aus dem letzten Interview mit Moloney, dessen vorwiegend anekdotischer Charakter dennoch manche – vor allem ältere Interessierte – ansprechen dürfte. Fazit: Der eingefleischte Chieftains-Fan wird sich über die Veröffentlichung freuen. Wer die Chieftains nicht kennt, gewinnt einen guten Überblick über die frühe Bandgeschichte und hat wahrscheinlich mehr Freude daran, als sich durch die ersten Studioalben durchzuhören. Immerhin haben die Chieftains trotz der wechselhaften Akzeptanz besonders durch die heutige junge Folkgemeinde viel mehr für das Revival des Irish Trad getan, als die meisten wissen.

Johannes Schiefner

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