Der aus dem derzeit von russischen Invasionstruppen belagerten Charkiw im Nordosten der Ukraine stammende Gurzhy kam 1995 als Zwanzigjähriger nach Berlin. Dort etablierte er sich schnell als Musiker, DJ, Komponist und Produzent und engagierte sich auf diversen Ebenen in vielseitigen Projekten. Darunter fallen etwa Partyreihen in Form von Kompilationen wie die gemeinsam mit dem Schriftsteller Wladimir Kaminer herausgegebene legendäre Russendisko oder die aus dem Berliner DJ-Project Born in UA hevorgegangene und bei Trikont erschienene Borsh Division – Future Sound Of Ukraine, welche sich vor allem mit ukrainischer Musik befasst. Schließlich ist er verantwortlich für einige Bandgründungen wie etwa der Formation RotFront oder der Disorientalists (gemeinsam mit Daniel Kahn und Marina Frenk). Nun erschien Gurzhys erstes Buch, das er nur deshalb schrieb, ja, eigentlich schreiben musste, weil ihm bis dato etwas über die jüdische Musik der letzten Jahrzehnte in Deutschland fehlte, die er selbst als „äußerst innovativ und progressiv“ empfand. Und so kommen im Format der „oral history“ Erzählungen zusammen, die das Who’s who der (hier überwiegend jüdischen) Klezmerszene Deutschlands widerspiegeln. Als Einstieg in die Interviews sollte die Frage gestellt werden: „Was ist eigentlich für dich jüdische Musik?“ Diese Frage musste alsbald verworfen werden, denn erstens nervte sie alle Beteiligten, zweitens war die Antwort immer wieder viel zu lang, drittens stellte keine Definition alle zufrieden und viertens hatte dazu sowieso jeder etwas anderes zu sagen. Mehr soll hier jetzt nicht verraten werden.
Matti Goldschmidt
YURIY GURZHY:
Richard Wagner & die Klezmerband : auf d. Suche nach d. neuen jüdischen Sound in Deutschland – Berlin : Ariella-Verl., 2021. – 264 S. : mit zahlr. Farb- u. s/w-Fotos
ISBN 978-3-945530-38-2 – 24,95 EUR
Bezug: ariella-verlag.de
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