Der Luxemburger Liedermacher gilt zu Hause wahlweise als Volksbarde oder Enfant terrible und platziert sich auch auf seinem neuen Album zwischen den Stühlen. Es ist das erste mit eigenem Material seit dem Ende seiner Band Legotrip 2019. Übergreifendes Thema: die beiden Pandemiejahre und deren Folgen für Gesellschaft und Kultur. Manche Aussagen der auf Luxemburgisch gesungenen Songs werden eher Querdenkenden als Regierungsbeteiligten gefallen, Tonnar aber mag sich nicht vereinnahmen lassen. Mit den Waffen des Künstlers sucht er die im Ringen um die Angemessenheit der Maßnahmen aus dem Blick geratene Menschlichkeit zu verteidigen. Musikalisch-klanglich ist das auf hohem Niveau, reicht von Blues, Reggae und Lateinamerikanischem bis zu Folk, Gospel und Pop. Der Titelsong erinnert wohl gezielt an „Bella Ciao“, führt aber dessen revolutionären Charakter – nicht ohne Selbstironie – ad absurdum, wo Ideale für Wohlstand aufgegeben werden. Am stärksten sind die Lieder da, wo sich Tonnar spirituelle Erkenntnisse offenbaren wie in „Muer ass ofgesot“, „Guer keng Fro“ oder „Gëff mer nach eng Chance“. Ein kulturpessimistisches Werk mit Hoffnungsschimmer – und den liefert wie immer die Liebe.
Stefan Backes
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