Der Titel des „Öffners“ „Mir sen emmer no da“ mag der jüngsten Geschichte der Schwäbisch-Folkrock-Band aus Backnang geschuldet sein, denn seit ihrem letzten Album Ondrwägs von 2017 gab es allerhand Umbruch: Bassist Owe Bosch ist gestorben, Schlagzeuger Heiko Peter und Frontsängerin Biggi Binder haben die Gruppe verlassen. Das ging schon ins Eingemachte, aber, wenn man auch niemanden ersetzen kann, so hört man nun am Bass Martin Hofpower, am Schlagzeug Rob Wittmaier und die weibliche Stimme kommt von Anke Hagner. Für Kontinuität sorgen Bandleader und Frontsänger Markus Friedemann Stricker, Geiger Klaus Marquardt und an diversen Zupfinstrumenten Micha Schad. Außerdem sind auf diesem Album noch sieben Gastmusizierende zu hören. Anke Hagner, die für Wendrsonn ihre vorherige Band Gradaus verlassen hat, tritt in große Fußstapfen, die sie nicht ganz ausfüllt. Ihr Gesang ist schön, folkig, schwäbisch, aber es fehlt der Stimme doch etwas vom rockigen Timbre, das Biggi Binder auszeichnet. Ernsthaftigkeit war eh immer auch ein Charakteristikum von Wendrsonn, aber irgendwie klingt dieses Album besonders ernst, oft gar melancholisch, was kein Manko sein muss: Vergänglichkeit, Naturzerstörung, Alkoholismus, die Geschichte zweier Brüder, die wegen ihrer Predigten im neunzehnten Jahrhundert weggesperrt wurden, das sind alles Themen, die zum Folk gehören. Wendrsonn ist und bleibt „emmer no“ eine Spitzenband, deren Musik anrührt, zum Nachdenken anregt und Freude an regionaler Sprache vermittelt. Möge die Schwåbeliesl noch lange tanzen und zeigen, dass auch „Schwåba net nur schaffa kennat, sondern ouch feira, ouch wenn des Läba koi Schlotza isch“!

Michael A. Schmiedel

Foto: Ralf Püttmer