Susanne Lundeng ist eine der ganz Großen der norwegischen Volksmusik. In norwegischen Nachschlagewerken wird sie als führende zeitgenössische Interpretin der traditionellen Musik Nordnorwegens und der dortigen Geigentradition bezeichnet. Interessanterweise ist ihr deutschsprachiger Wikipedia-Eintrag viel länger als der auf Norwegisch. Dazu sagt sie, dass ihr das gar nicht bekannt gewesen sei. „Da muss ich wohl den norwegischen Eintrag aktualisieren. Offenbar habe ich begeisterte Fans in Deutschland!“ Und da hat sie jedenfalls recht.
Text: Gabriele Haefs
Susanne Lundeng stammt aus Bodø ganz im Norden und bekam schon früh Geigenunterricht, wenn auch zunächst in klassischer Manier. Sehr bald aber kam sie in Kontakt mit Volkstanz, dann zur dazugehörigen Musik und ließ sich von älteren Spielleuten inspirieren. Schon mit zwölf wollte sie deren Stücke lernen. Sie fing an, in Archiven zu suchen und sich Musik aus dem nördlichen Nordland herauszusuchen. Die Traditionen dieses Bezirks waren damals in Norwegen sonst kaum bekannt und fast ausgestorben. Lundeng hatte das Glück, den letzten Vertretern und Vertreterinnen dieser Tradition zu begegnen, wenn sie auch besondere Vorbilder nicht nennen möchte, wichtig gewesen seien sie alle.
1989 gewann sie erstmals einen Wettbewerb beim landesweiten Landskappleik, und dann gab es kein Zurück mehr. Schallplattenaufnahmen, Fernsehauftritte, Tourneen, die sie mit ihrer Susanne Lundeng Band (später dem Susanne Lundeng Trio) durch die halbe Welt und bis nach Korea führten. Sie gab aber auch die klassische Musik nicht auf, arbeitete zum Beispiel mit Kammermusikensembles oder Sinfonieorchestern. Eigentlich hat sie überhaupt keine Berührungsängste, dafür zeugen ihre Zusammenarbeiten mit dem norwegischen Liedermacher Ole Paus oder dem Jazzgitarristen Nils-Olav Johansen. Und natürlich tritt sie oft und gern mit Kolleginnen und Kollegen aus der Volksmusikszene auf, genannt seien etwa Sinikka Langeland oder Frode Fjellheim.
Schon bald nach Beginn ihrer umwerfenden Karriere fing Susanne Lundeng an zu komponieren, wobei sie Stilelemente der nordnorwegischen Musik mit Jazz oder aktueller Weltmusik zusammenbringt. Vierzehn Soloalben hat sie bisher veröffentlicht und wurde mit Kulturpreisen geradezu überhäuft. Auf die Frage, welcher dieser Preise ihr am meisten bedeute, sagt sie: „Ja, das waren überraschend viele. Aber sie repräsentieren unterschiedliche Aspekte meiner Arbeit, deshalb fällt es mir schwer, einen besonders zu nennen. Ich denke nicht an Preise, und von vielen wusste ich nicht einmal, dass es sie gibt. Aber ich bin sehr dankbar dafür, dass meine Arbeit gewürdigt wird.“
So vielseitig, wie sie ist, wird Susanne Lundeng vielleicht auch noch andere Wege einschlagen. Auf ihrer Website gibt es ein Foto, auf dem sie die Hände wie eine Chorleiterin hält, aber das sei nur Zufall, behauptet die ewig aktive Musikerin. „Das Foto wurde gemacht, als ich am Morgen meines Geburtstags ganz früh auf einem Felseninselchen tanzte. Früher habe ich viel getanzt, mache es auch heute noch oft, wenn ich abends allein bin. Ich habe schon mit vielen Chören zusammengearbeitet, aber eine Chorleiterin wird aus mir, glaube ich, nicht mehr.“
www.youtube.com/@susannelundeng8123
Aktuelles Album:
Følge (Heilo/Grappa, 2023)
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