26. Venner Folk Frühling

Stimmungsvolles Fest mit Schwerpunkt Deutschfolk, Mühleninsel und Walburgiskirche, Ostercappeln-Venne, 9.-12.5.2024

5. Juni 2024

Lesezeit: 5 Minute(n)

Ein Besuch beim Folk Frühling in Venne im Osnabrücker Land ist wie heimkommen. Es dauert gefühlt nur Minuten, bis man die ersten Bekannten und befreundete Musiker oder Musikerinnen trifft. Eines der familiärsten Festivals in Deutschland ging, begünstigt durch den Feiertag Christi Himmelfahrt, vom 9. bis 12. Mai als viertägige XXL-Version in die 26. Runde. Dabei hatten das Orgateam, die Musikschaffenden und das Publikum das Glück, dass es vom ersten bis zum letzten Tag Kaiserwetter mit sommerlichen Temperaturen gab.
Text: Ulrich Joosten; Fotos: Wolfgang Behnke

Es war einiges anders bei der diesjährigen Ausgabe des Festivals. Der Vereinsvorstand und der erste Vorsitzende, Jascha Kemper, sorgten für viele neue Acts. Zum ersten Mal seit Langem waren wenige Wiederholungstäter:innen auf den Bühnen, und wenn, dann solche, deren Auftritte bereits einige Jahre zurückliegen.

Heuer hatte das Organisationsteam Künstlerinnen, Künstler und Gruppen wie Ticket to Happiness im Programm, die mit ihrem Indiefolk auch ein jüngeres Publikum ansprechen. Und es gab einen Deutschfolk-Schwerpunkt. Zwar wurde das Festival am Donnerstag auf der Mühleninsel von einer glänzend aufgelegten Kilkenny Band mit Irish Folk eröffnet, gefolgt von dem nicht minder furios aufspielenden Trio Paddy Goes to Holyhead. Aber schon am Freitag gab es den ersten deutschsprachigen Höhepunkt mit der Chanson-Folk-Band Schlagsaite, anschließend spielte die Indiefolkgruppe Von Weiden auf. Es wurde kräftig getanzt!

Kilkenny Band

Foto: Wolfgang Behnke

Mit Tanz startete auch der Festivalsamstag. Schon morgens um zehn konnte man an einem Dahlhoff-Workshop teilnehmen und danach mit der Gruppe Folk My Life für ihr späteres Konzert Bal-Folk-Tänze einstudieren. Zuvor hatten die Devil Stone Dancers den Samstag mit Linedance eröffnet, gefolgt vom ersten Konzert des Tages mit den Global-Folkern von La Kejoca. Die Band beeindruckte und begeisterte mit bezaubernden Arrangements und Virtuosität auf ihren Instrumenten – und mit einer genialen Akustikversion von John Miles’ „Music“.

Lupenreiner Deutschfolk der modernen Sorte folgte vom Quartett Hüsch!. Die Band hatte deutsche Volkslieder in weltmusikalischem Gewand im Programm, fernab von tümelnder Brauchtumspflege. Vor allem die ausdrucksstarke Stimme der Sängerin Hanna Flock blieb in Erinnerung. Hüsch!-Musiker Tim „Doc Fritz“ Liebert hatte ein strammes Auftrittsprogramm, hatte er doch unmittelbar vor dem Gig der Band auf der Mühleninsel solo das Konzertprogramm im stimmungsvollen Ambiente der Walburgiskirche eröffnet. Er begleitete seine eigenen und traditionelle Lieder auf der Thüringer Waldzither und blies zwischendrin bluesige Mundharmonikariffs.

Paddy goes to Holyhead

Foto: Wolfgang Behnke

 Fünf weitere Konzerte standen in der Kirche auf dem Programm, es gab sich der wie in jedem Jahr umjubelte Publikumsliebling Jens Kommnick an der Celtic-Fingerstyle-Gitarre die Ehre. Ihm folgte die Musikerin Jule Malischke, die als eine der aufregendsten Entdeckungen der aktuellen Gitarren- und Singer/Songwriter-Szene hierzulande gilt und die Zuhörenden begeisterte.

Ein Höhepunkt war das emotionale Konzert der britischen Sängerin und Songschreiberin Lorraine Jordan, die sichtlich nervös war vor ihrem ersten Auftritt seit Langem. Eine Welle der Sympathie des Publikums trug sie durch ein berührendes Solokonzert mit anrührenden Songs, zu denen sie sich mit filigranem Picking und perkussiver Akkordarbeit an Gitarre oder Cittern begleitete. Es folgten Bruni, Sänger der Band Wippsteert, solo als plattdeutscher Liedermacher und, als krönender Abschluss des samstäglichen Kirchenprogramms, das Trio Elderland, die Gewinner des Folkförderpreises 2023. Sie begeisterten mit ihrem selbstkreierten „Hollerfolk“, einer musikalischen Melange der verschiedensten Stile mit keltischen, skandinavischen, hebräischen und Americana-Elementen.

Tim Liebert

Foto: Wolfgang Behnke

 Der Sonntag lud bei strahlendem Sonnenschein zum traditionellen Muttertagsfrühstück auf der Mühleninsel und Bummel über den Kunsthandwerkermarkt um die Kirche ein. Nach einer Vorführung der Ballettschule Watkins startete um 13.30 Uhr das Finale des fünften Dieter-Wasilke-Folk-Förderpreises. In diesem Jahr hatte die Vorauswahl durch die Jury die vielversprechende Konstellation ergeben, dass die drei Bestplatzierten einerseits Frauen und andererseits demselben musikalischen Genre – Singer/Songwriter – zuzurechnen sind. Es wurde spannend, als die Bewerberinnen auf der gut besuchten Mühleninsel jeweils nur mit Gitarre, Stimme und eigenen Songs miteinander in den Wettbewerb traten. Zwei der jungen Damen, Reni und Aziza Lena sangen auf Deutsch, Alina Sebastian auf Englisch. Keine leichte Aufgabe für die Jury. Final setzte sich diejenige Künstlerin durch, zitierte der Moderator und Vereinsvorsitzende des Folk Frühlings, Jascha Kemper, die Jurybegründung, „deren authentische Lieder mit origineller, überzeugender Bildsprache begeisterten, die sie mit ihrem sicheren und sympathischen Auftreten dem Publikum nahebrachte“. Siegerin wurde Reni, die gerade mal zwanzigjährige Liedermacherin aus Frankfurt am Main.

Auf der Mühleninsel stand der gesamte Sonntag ganz im Zeichen der Singer/Songwriter:innen. Die Wartezeit bis zur Juryentscheidung überbrückte mit Meike Koester eine weitere Liedermacherin, die mit zwei Begleitmusikern Americana-Deutschpop-Songs von ihrem neuen Album Wieder laut vorstellte.

Alina Sebastian, Reni, Aziza Lena (v. l. n. r.)

Foto: Wolfgang Behnke

 Parallel gaben sich in der Walburgis-Kirche erneut La Kejoca die Ehre. Anschließend spielten Wolfgang Meyering und Michael Waterstradtes eigene Lieder und Instrumentals im Spannungsfeld von Folk, Blues und Weltmusik auf Kontrabass, Mandoline, Mandola und Gitarre. Den Abschluss machte die Gruppe Grenzgänger (um Sänger und Gitarrist Michael Zachcial) mit einem Querschnitt aus 35 Bühnenjahren unter dem Motto: „Alle Brüder werden Menschen: Zeitlose Utopien mit feinsten Melodien“.

Das letzte Konzert auf der Insel spielten etwa zeitgleich die beiden Liedermacher Simon & Jan, die mit Gitarren, Loopstation, Ukulele und mehr ebenfalls einen Rückblick, allerdings „nur“ auf sechzehn wilde Liedermacherjahre (zwischen grandiosem Unsinn und beißender Sozialkritik), boten und ein restlos begeistertes Publikum hinterließen.

Michael Waterstradt und Wolfgang Meyering

Foto: Wolfgang Behnke

 Es folgte wie in jedem Jahr das Finale, bei dem die noch anwesenden Bühnenacts gemeinsam mit dem Publikum die Abschlusssongs singen. Eine großartige Idee des Vereinsvorsitzenden Jascha Kemper war es, vorher alle beteiligten freiwilligen Festivalhelfer und -helferinnen namentlich aufzurufen und vor die Bühne zu bitten. Erstaunlich, wie viele Mitwirkende dieses wunderbare Familienfestival erst ermöglichen. Die Abschiedssongs waren das anrührende Lied „Drachen“ aus der Feder des Festivalgründers Dieter Wasilke, gefolgt von Allan Taylors „It’s Good To See You“ auf Englisch, Hochdeutsch und Plattdeutsch. Und nach dem großen Abschiednehmen dürften manchen noch lange die Zeilen im Ohr und im Herzen geblieben sein: „Oh it’s a wonder when it comes to friendship / No matter how far away, no matter how long / There’s a constant thread that’s never broken / It ties me to my friends and home.“

Man kann es kaum abwarten, wieder heimzukommen am nächsten Venner Folk Frühling, wenn es wieder heißt: „It’s good to see you, so good to see you …“

www.folkfruehling.de

3
Aufmacher:
Von Weiden

Foto: Wolfgang Behnke

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