Pam Pam Ida

Dem Zufall ein Schnippchen schlagen

14. Juli 2024

Lesezeit: 4 Minute(n)

Ihre Heimat im nordoberbayerischen Sandersdorf gehört nicht zu den jodelschwangeren süddeutschen Vorzeigeregionen. Aber wenige Orte Deutschlands befinden sich in einem solchen Spannungsfeld wie die Gegend zwischen Innovation und Audi-Überfluss in Ingolstadt einerseits und prähistorischem Fossilienreichtum rund um Eichstätt andererseits. Vielleicht ist es das, was die sechs Stammbandmitglieder und ihr Silberfischorchester geprägt hat: die Einordnung in die Nichtkategorisierung sowie der feste Wille, sich wie ein Fisch im Wasser bewegen zu können, ohne zu versteinern wie die über 140 Millionen Jahre alten Fossilien, die rund um ihren Heimatlandkreis immer wieder gefunden werden.
 Text: Ulrike Zöller

Pam Pam Ida und das Silberfischorchester – eine spannende Band, von einem musikalischen Bogen getragen, der von klassischer Kammermusik über Pop und Folk bis zu Experimentellem reicht, geboren aus Neugier und Lust auf Klänge, auf das musikalische Miteinander in vielerlei Formen und Tönen.

Sie machen teils seit ihrer Jugend zusammen Musik, die sechs Musiker der „Kernband“ Pam Pam Ida: Thomas Thumann an Gitarre, Synthesizer, Blockflöte und Djembe, Christian Winkler an Keyboard, Saxofon, Eufonium, Posaune und Akkordeon, Gitarrist Daniel Randlkofer, Bassist Jürgen Neumeier, Schlagzeuger Julian Menz und Songschreiber, Sänger und Frontmann Andreas Eckert, der abwechselnd Gitarre, Klavier, Tenorhorn und Blockflöte bedient. Gern treten die sechs auch zusammen mit dem Silberfischorchester auf, einem klassischen Streichquartett mit Geigen, Bratsche und Cello.

Die Band ist also einerseits geprägt von ihrer musikalischen Vielfalt, auf der anderen Seite haben die Lieder einen gemeinsamen Nenner in den tiefsinnig-poetischen Texten Eckerts, die Menschliches, Gesellschaftliches, auch Politisches in allen Facetten widerspiegeln. Das Erstaunliche: Gerade mit ihren Songs über Abschiednehmen, Trauer und Zukunftsangst, vorgetragen mit unglaublichem Charisma und beachtlicher Bühnenpräsenz, füllen Pam Pam Ida Stadtsäle und Festivalbühnen – vorwiegend allerdings in Bayern, von Aschaffenburg bis Berchtesgaden. Songs wie der „Schultertanz“, „Du fehlst“ oder „Gockl“ werden mitgesungen, weil sie Lebensgefühle ausdrücken, das Publikum sich getragen und verstanden fühlt. In seiner subtilen Art spricht Eckert auch gesellschaftliche Themen an. Weniger subtil allerdings ist das durchaus umstrittene „Vaterland“, ein 2016 veröffentlichtes Lied, das quasi ein Stammtischgespräch über Asylsuchende wiedergibt, mitsamt N-Wort und etlichen harten Aussagen. Nicht alle erkannten sofort, dass eigentlich das Gegenteil gemeint war.

Pam Pam Ida, live

Foto: Germain Nassal

„Folk hat etwas Umarmendes.“

Inzwischen sind die Songs weniger anklagend als klagend geworden. „Wir wissen ja, dass wir ein sehr gemischtes Publikum haben“, erklärt er. „Natürlich kann es sein, dass da auch mal jemand ist, der AfD wählt; wir haben ja auch unsere Wut und unsere Sorgen, genau das, von dem man immer sagt, dass es den ‚braunen Sumpf‘ nähren würde. Aber wir versuchen, sehr persönlich auf die Leute zuzugehen und zu vermitteln: Wir sind vielleicht jetzt coole Typen, die auf der Bühne stehen und etwas machen, was viele als Traum empfinden, aber letztlich haben auch wir Ängste und unsere Wut.“

Gerade diese Haltung ist das, was Andreas Eckert mit dem Folkgedanken verbindet. „Folk hat etwas Umarmendes: Ich bin einer von euch, mir ist es auch wichtig, eure Sorgen zu teilen oder zusammen singen zu können.“ Neben der Biermösl Blosn mit ihren klassischen, politischen, kabarettistischen und virtuosen Elementen war Eckerts erste Inspiration „definitiv die Irish-Folk-Musik, die mein Papa rauf und runter laufen lässt dahoam. Ich liebe diese Musik, mit Uilleann Pipes, Bodhrán und Tin Whistle.“ Ob er mit dem Begriff „Indiefolk“ leben kann? Wehren würde er sich nicht dagegen, aber „lieber würden wir uns gar nicht einordnen, nur geben sich damit die wenigsten zufrieden“. Andreas Eckert will sich seine Inspiration nicht durch Schubladen nehmen lassen – und übergibt die Themen Einordung und PR am liebsten an seinen Bandkollegen Julian Menz, der im Gegensatz zu ihm über ein Smartphone, Affinität zu sozialen Medien und Kommunikationsstrategie verfügt.

Pam Pam Ida und das Silberfischorchester, live

Foto: Maria Bayer

„Lieber würden wir uns gar nicht einordnen.“

Und diese Strategie ist nötig bei einer Band wie Pam Pam Ida. „Früher“, so Menz, „haben wir englisch gesungen, da hat es niemanden interessiert, warum wir das machen, woher wir kommen, was unsere Identität ist, da war die Musik im Vordergrund gestanden. Und plötzlich geht’s um diesen bairischen Dialekt und Identität und Einordung. Viele Journalisten haben keine anderen Themen über uns gefunden als über Heimat, über unser Dorf, alles, was man damit verbindet, wenn jemand das Maul aufmacht und bairisch redt. Und das ist fatal. Ich bin dann mal auf den Slogan ‚Zufällig bayerisch‘ gekommen. Das trifft es am besten.“

Nein, Pam Pam Ida betreiben kein Presse-Bashing. Es ist eher eine verzweifelte Bitte, ihre Art der Popmusik mit ihren vielen stilistischen Einflüssen nicht von der Verpackung, sondern vom Inhalt her zu verstehen. Dafür arbeitet die Band mit vielerlei Ideen. Ihr Hang zum Cineastischen und zu witzigen Videos war da von Anfang an eine Hilfe. Einerseits, um die Inhalte und das Gefühl umzusetzen, andererseits, um Marketingstrategien, die Logistik ihrer PR-Arbeit zu erklären. Wirklich amüsant in dem Zusammenhang: eine Youtube- Schulstunde mit Andreas Eckert als Lehrer. „Thomas, der sich um Booking und Management kümmert, und ich haben gemerkt, wie kompliziert es für uns selbst schon ist, das zu kapieren. Wie veröffentlichen wir die drei EPs vom vorletzten und letzten Jahr? Mit Streaming, Spotify et cetera. Und dann hab ich mir gedacht: Ich überleg mir was, wo der Andi uns erklärt, was wichtig ist.“

So paradox es auch klingen mag: Die Freiheit, nicht auf einem Stil zu beharren, kostet eine Unmenge an Vermittlungsarbeit auf vielen Kanälen. Ein Glück, dass Pam Pam Ida mit dem Münchner Label F.A.M.E. Recordings Partner gefunden haben, die diese Nichtkategorisierung als künstlerischen und offenbar auch geschäftlichen Vorteil schätzt. So, dass auch das nächste Album, das am 8. November erscheinen wird, ein Produkt ist, das nicht aus Kalkül, sondern aus Lust und Inspiration heraus entstehen und „zufällig bayerisch“ sein kann.

pampamida.de

Foto: Susanne Pesl

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Aufmacherbild:

Pam Pam Ida, live

Foto: Adrian Infernus

Aktuelles Album:

Pam Pam Ida

Das Beste bisher (F.A.M.E. Recordings, 2023)

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