Krautblues mit Andi Valandi & Band

Schön machen

13. Juli 2019

Lesezeit: 4 Minute(n)

Ein räudiger Sound, der sich am Blues orientiert. Pfiffige Songtexte in deutscher Sprache, die Haltung zeigen. Nicht nur zu Hause in Dresden, auch überregional sorgen Andi Valandi & Band reichlich für Furore mit ihrem Krautblues, wie sie ihre Stilkreation selbst bezeichnen.
Text: Bernd Gürtler

Nein, versichert Andi Valandi, bloß weil Schlagzeugerin Selin Wutzler im Umfeld der Dresdner Kunstgalerie Hole of Fame verzeichnet wird, sind sie noch kein Kunstprojekt. Auch kein Klassikensemble auf Abwegen, obwohl Keyboarder Frank Dresig ansonsten beim Improvisationskollektiv Neue Dresdner Kammermusik in die Tasten greift. Die perfekte Symbiose verschiedener Mehrfachbegabungen, das sind sie schon eher. Und ein ziemlicher Aufreger ihr Krautblues, der direkt an Andi Valandis Zeit als Straßenmusikant anknüpft, aber eben nicht einfach deshalb so heißt, wie er heißt, weil ein möglichst griffiges Stiletikett maximale Aufmerksamkeit erzielen sollte. Der Blues stand tatsächlich Pate, versichert Andi Valandi. Eine Inspiration sei nicht nur die Musik gewesen, sondern auch „der Lifestyle, sofern das kein zu modernes Wort für eine so alte Musik sein sollte. Das Lebensgefühl jedenfalls sprach mich genauso an.“ Er weiß sogar noch, wie er zum Blues gefunden hat. „Aus der Schule kannte ich HipHop. Das hörten die Typen, die die coolen Mädels abkriegten. Damals dachte ich, das sei die Musik überhaupt. Bis ich AC/DC entdeckte, durch eine Tributeband beim Elbhangfest. Dort spürte ich das erste Mal, wie Musik unter die Haut gehen kann. Später bin ich auf die Rolling Stones gestoßen, habe einiges von den Beatles gehört und darüber die schwarzen Originale entdeckt, John Lee Hooker, Muddy Waters, Buddy Guy.“

Andi Valandi und Band

Foto: Mysticpizzajoe78

Erstmals urkundlich erwähnt wird der Blues 1903, ist also wirklich ziemlich alt und gilt heute als Steckenpferd vornehmlich älterer Männer, die im Gestern festsitzen. Andi Valandi ist Jahrgang 1990. Wie gerät ausgerechnet er an den Blues? „Vielleicht liegt bei mir ein Gendefekt vor. Es kümmert mich nicht mehr, was andere hören. Wenn ich weiß, mir gefällt das, mit mir macht das etwas, höre ich das. Nach und nach ist der Blues in meine eigene Musik eingeflossen. Mit einer meiner früheren Bands, Andi Valandi und die Jägermeister, ist das schon eine Art Straßenblues gewesen. Sehr einfach gebaut, Snaredrum, Bluesharp, ich als Gitarrist und Sänger. Ich musste nur noch die Tonart vorgeben. Neue Songs konnten wir sofort spielen, ohne aufwendiges Proben. Manchmal fühlte ich mich an die Szene aus Blues Brothers erinnert, wo John Lee Hooker auf der Straße spielt, auch wenn der Vergleich ein bisschen hoch gegriffen sein mag. Und die Bezeichnung Krautblues geht zurück auf die Mutter meiner Kinder. Sie hatte die Idee. Uns gefiel das, und dabei ist es geblieben.“

Genauso wie die Bluesorientierung kein schnöder Promotiongag ist, sollte man die Sache mit der Straßenmusik wörtlich nehmen. „Ich bin“, erzählt Andi Valandi, „bewusst zu Hause ausgezogen und habe den Sommer über ohne festen Wohnsitz gelebt. Mal da, mal dort, in Leipzig, Rostock, Berlin. Das war gut. Ich finde, das sollte vielleicht nicht unbedingt Pflicht, aber doch ein Bildungsangebot werden. Dass Jugendliche, sobald sie alt genug sind, die Sommermonate rausgeschickt werden und irgendwie zurechtkommen müssen. Da lernt man den Dreck kennen, aber auch die einfachen Dinge zu schätzen. Man bekommt ganz viel Ruhe und Erdung.“ Zweifellos, eine bemerkenswerte biografische Episode bei jemandem, der das Abitur in der Tasche hat. „Ich habe rumprobiert, hatte eine Theatergruppe, habe ein Studium begonnen, Fachrichtung Abfallwirtschaft und Altlasten. Bin mit meiner Freundin in ein besetztes Haus gezogen, danach zurück zu Mama. Das Studium, da hatte ich schon Lust drauf. Aber die Art des Lernens lag mir nicht, ich fühlte mich isoliert. Der Ausweg schien, im Sommer auf der Straße zu leben.“

„Ich will niemanden agitieren, aber in den Herzen und Köpfen etwas bewegen.“

Dass er seine Songtexte auf Englisch verfasst wie ein Großteil einheimischer Populärmusiker seiner Generation, könnte sich Andi Valandi nicht vorstellen. Die deutsche Sprache ist seine Wahl, ohne Einschränkung. „Ich wüsste nicht, in welcher Sprache ich sonst schreiben sollte, außer in der, in der ich denke, spreche, träume. Auf Englisch kannst du fünf Minuten lang nichts als „baby don’t leave me“ singen. Versuch das auf Deutsch! Nur auf Deutsch kann ich Texte schreiben, bei denen ich den Eindruck habe, das ist vielschichtig, das kommt mit einem breiten Grinsen daher. Meine ersten Songs sind Protestsongs gewesen. „Atomkraft ist Scheiße“, „Nazis sind Scheiße“, so was. Irgendwann erschöpft sich das. Wenn du weitermachen willst, musst du dir etwas einfallen lassen. Ich will niemanden agitieren, aber in den Herzen und Köpfen etwas bewegen. Das reizt mich.“

Andi Valandi und Band

Foto: Mysticpizzajoe78

Bloß gut, dass Andi Valandi in seiner Muttersprache textet. Andernfalls entginge einem glatt der Witz, die Bissigkeit von „Herr Lehmann“, seinem Porträt einer unausstehlichen Sorte Mitmensch, die jedem ungefragt ihre Abneigung gegen Schwule und Asylsuchende aufdrängen muss und Frauen am liebsten zurück an den Herd beordern würde. Der Song ist eine Art Standortbestimmung?! „Richtig, es geht darum, den trägen Deutschen Beine zu machen.“ Insbesondere sind doch sicherlich die trägen Dresdner gemeint, die es zulassen, dass das rechtpopulistische Pegida-Bündnis seit 2014 Montag für Montag mitten im Zentrum der sächsischen Elbmetropole aufmarschiert? „Die Dresdner sollten sich unbedingt angesprochen fühlen. Ich finde Dresden und Sachsen herrlich, ich bin gebürtiger Dresdner. Aber über das Verhalten der Leute kann man sich manchmal nur wundern.“

Würde er sich weniger sozialkritisch äußern, käme er nicht aus Dresden? „Nein, vermutlich würde ich nur andere Themen wählen. Das Lustige an ‚Herr Lehmann‘ ist, dass es entstand bevor der Pegida-Vulkan ausbrach und jeder sich wunderte. Mich hat gar nichts gewundert. Davor standen den Leuten bloß keine sozialen Medien zur Verfügung, um sich zu verabreden. Dann kam Pegida, und der Song wurde wichtig. Heute kommt es vor, dass uns krummgenommen wird, wenn wir ‚Herr Lehmann‘ mal nicht spielen.“

Andi Valandi und Band

Foto: Mysticpizzajoe78

Cover Der Blues ist tot

andivalandi.de

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Der Blues ist tot (Eigenverlag, 2018)

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