Vedan Kolod sind die Jäger der verlorenen Schätze

Die Wiederentdeckung der skythischen Harfe

12. Dezember 2023

Lesezeit: 3 Minute(n)

Ein historisches Instrument nach hunderten von Jahren wiederzuentdecken und neu zum Klingen bringen: Ein sehr ambitionierter Plan! Das russische Folk-Ensemble Vedan Kolod hat jetzt die legendäre skythische Harfe rekonstruiert. Als Grundlage nutzten die Musiker den Artikel von V. N. Basilov  „Die skythische Harfe – das älteste Streichinstrument?“ aus dem Jahr 1991, in dem der Archäologe einen Fund in einem Grabhügel im sibirischen Altai-Gebirge detailliert beschreibt. Und so machte sich das Bandmitglied und versierte Instrumenten-Restaurator Valery Naryshkin an die Arbeit.
Text und Fotos: Tatiana Naryshkina

Traditionelle Volkslieder aus ganz unterschiedlichen Teilen Russlands einem breiteren Publikum zugänglich zu machen, das hat sich das russische Folk-Ensemble Vedan Kolod zur Aufgabe gemacht. Viele ihrer Songs basieren auf jahrhundertealten Volksweisen und wurden von dem Ensemble neu arrangiert. Vedan Kolod besteht  aus den Musikern Tatiana Naryshkina, Tatyana Naryshkina,  Daryana Antipova und Valery Naryshkin.

Die skythische Harfe, die Valery Naryshkin nun neu gebaut hat, ist keine exakte Kopie des historischen Instrumentes. Bei der Arbeit an der Rekonstruktion stand nicht die wissenschaftliche Genauigkeit im Vordergrund, sondern der Wunsch, das Instrument auch bei den Auftritten der Band verwenden zu können. Deshalb verwendete Naryshkin an einigen Stellen auch moderne Materialien.  Zudem wurden einige kleinere Konstruktionsmerkmale entfernt, die entweder den Klang verschlechterten oder aus der Sicht des Musikers in der Beschreibung unlogisch erschienen.

Die skythische Harfe, die Vedan Kolod bei ihren Konzerten spielen, hat zwei Saiten. Die Rekonstruktion des Instrumentes orientiert sich so weit wie möglich an den Originalmaßen. Und die Harfe ist genau wie das Original rot lackiert!

Bei der Gestaltung des Instruments erwiesen sich einige Details als besondere Herausforderung. So hat zum Beispiel der erhaltene Saitenhalter zwei Löcher – ein rundes und ein dreieckiges. Während  die Funktion des runden Lochs keine Fragen aufwirft, so bleibt die Funktion des dreieckigen Loches unklar. Außer den archäologisch überlieferten Details sind keine weiteren Informationen hierzu erhalten geblieben. Und da bisher niemand versucht hat, eine Verwendung für dieses dreieckige Loch zu finden, musste Valery Naryshkin das Design von Grund auf selbst entwickeln. Als Vorbild diente ihm übrigens die Drehstabfederung im Auto!

Die skythische Harfe hat zwei über Kreuz gespannte Saiten. Das Instrument, das diesem Klang am nächsten kommt, ist die chinesische Erhu. Die Markierungen auf dem Gehäuse zeigen, so der Historiker, dass das Spiel in einem Winkel von fast 80 Grad zum Gehäuse an der schmalsten Stelle des achtförmigen Korpus stattfindet. Das Einfädeln des Bogens zwischen die Saiten musste jedoch verworfen werden, da das Instrument dadurch jede Klangfarbe und gleichzeitig sein Volumen verlor. Die jetzige Anordnung der Saiten ergibt sich aus dem liegenden Hals, der im Original etwas höher zu finden ist.

Eine weitere Besonderheit des historischen Instrumentes besteht darin, dass es sich vollständig zusammenklappen lässt. Das liegt daran, dass die Skythen ein halbnomadisches Leben führten. „Und es ist schlicht unmöglich, ein Instrument dieser Größe ohne einen Karren zu transportieren“, betont Valery Naryshkin.

Die dritte Besonderheit der skythischen Harfe ist die Tatsache, dass die 8-förmige Form erfunden wurde, um in der Hocke spielen zu können. Man kann das Instrument zwischen den Knien halten oder auf einem Stuhl sitzend spielen. Man muss jedoch dazu wissen, dass die  sibirischen Skythen keine Stühle hatten. Moderne Volksgruppen Asiens spielen ihre Musikinstrumente auf dem Boden.

Beim historischen Instrument wurde auch ein Plektrum aus Horn wurde gefunden. Möglicherweise  wurde es ähnlich wie die Slide-Gitarre benutzt, vermutet Naryshkin. Allerdings kann ein Plektrum aus Horn nur mit Plastiksaiten verwenden, nicht aber mit den Metallsaiten. Das haben Vedan Kolod nach langen Experimenten herausgefunden.

Die goldenen Figuren an den Enden des Halses und des Saitenhalters entstammen der Fantasie des Ensembles. Obwohl der Archäologe betont, dass es vergoldete Figuren auf den Spitzen des Instruments  gab, wurden diese nicht gefunden, da die archäologische Fundstätte wohl bereits in der  Antike geplündert wurde. Es ist jedoch bekannt, dass die Skythen ihr Hab und Gut gerne mit Goldfiguren zu schmückten. Wohlhabende Skythen  überzogen  Holzschnitzereien mit Goldfolie, wissen Vedan Kolod.

Das Ensemble betont, dass das Instrument, das sie bei ihren Auftritten spielen, nicht um die endgültige Version der skythischen Harfe ist.  „Wir werden die skythische Harfe weiter erforschen und verfeinern, aber im Moment erklingt sie bereits auf der Bühne und wird bald auf unserem neuen Album zu hören sein, das im kommenden Jahr herauskommt“, blicken Vedan Kolod in die Zukunft.

Warum überhaupt längst vergessene Instrumente wiederentdecken? Vedan Kolod sprechen von ihrer Faszination für die Tatsache ist, dass es weltweit kaum ein Instrument gibt, das sich zusammenfalten lässt. Schon gar nicht in der Antike. „Und doch klingt es sehr modern“, sagt Valery Naryshkin stolz.

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