Passend zum diesjährigen Länderschwerpunkt in Rudolstadt hatte Bettina Stäbert gemeinsam mit ihrer Ensemblekollegin Nina Gronich die Workshopteilnehmenden in die rhythmischen Harmonien und lebendigen Melodien zweier traditioneller malischer Lieder eintauchen lassen. In einem anschließenden Gespräch verriet Stäbert mehr über ihre Beziehung zum Rudolstadt-Festival und darüber, was es mit der Aquabella-Akademie auf sich hat.
Text: Christoph Schumacher; Fotos: Cordula Scholz
Als Gesangsensemble besteht Aquabella aus vier Sängerinnen, gelegentlich ergänzt durch eine Percussionistin. Daneben gibt es die Akademie, die alle Lehrtätigkeiten, Workshops, Chöre und Chorprojekte des Ensembles vereint. Innerhalb der Akademie unterrichten aber auch viele andere Kolleginnen und Kollegen, unter anderem ehemalige Sängerinnen oder Musikschaffende mit speziellen Techniken. So vermittelt Tamar Buadze aus Tiflis georgische Polyfonie, Dorothee Dalg unterrichtet Stimmtechnik nach Cornelius L. Reid und Natural Voice, Bene Aperdannier lehrt Rhythmus, und Lily Dahab bringt lateinamerikanische Lieder näher. Viele Chorleitende erweitern hier ihr Repertoire oder entdecken neue Methoden der Unterrichtsgestaltung.
Das Ensemble Aquabella feiert dieses Jahr dreißigjähriges Bestehen und wurde 1997 in Rudolstadt mit dem Folkförderpreis (heute Ruth) ausgezeichnet. Ursprünglich war vorgesehen, dass jeder Act nur einmal beim Festival auftreten sollte. Doch Aquabella hat sich über die Jahre personell mehrfach verändert – oft, weil Sängerinnen nach Familiengründung die intensive Tourneetätigkeit nicht fortsetzen konnten. Deshalb fragte Bettina Stäbert vor ein paar Jahren erneut in Rudolstadt an, und seitdem fand jedes Jahr ein Workshop statt, der immer bis auf den letzten Platz gefüllt war.
„Wenn wir irgendwo etwas anfragen, dann geht eine Tür auf …“
In Bezug auf den diesjährigen Länderschwerpunkt Mali, einen Vielvölkerstaat mit über vierzig Sprachen, stellte Stäbert überrascht fest, dass Aquabella bislang noch kein Lied aus dem Land im Repertoire hatte. Nachdem sie weder im Internet noch im Freundeskreis fündig geworden war, wandte sie sich auf der Suche nach geeigneten Stücken an die Botschaft Malis in Berlin und bat dort um Hilfe. Und tatsächlich fanden sich zwei Frauen, Aminata Cisse und Safi Fuhrmann, die bereit waren zu helfen. Stäbert erzählte Cisse bei ihrem Besuch dort unter anderem vom Projekt „Berlin schläft ein“ des Landesmusikrats Berlin, in dem Wiegenlieder aller 170 Nationen, die in der Bundeshauptstadt leben, gesammelt werden. Und die wiederum sang ihr gleich ein Wiegenlied vor, welches sie von ihrer Mutter kannte. Stäbert erkundigte sich, ob sie dies verwenden dürfe und worauf sie achten müsse. Aminata Cisse schätzte sich glücklich, dass der Kultur Malis Raum gegeben wird, und um so exakt wie möglich zu arbeiten, wurden Sprachaufnahmen in der Botschaft gemacht.
Zu diesem Song mit dem Titel „Makun“ schrieb Bettina Stäbert ein kleines Arrangement, und zum Kinderlied „Kunba Filifili“ fanden sich zwei verschiedene Notationen, einmal im kombinierten Sechsachtel- und Dreiachteltakt und einmal im Neunachteltakt geschrieben und auch etwas unterschiedlich in der Melodie. Für den Workshop in Rudolstadt wurden beide Lieder auf Plakate gedruckt, dazu Fächer mit Informationen über Aquabella, Noten, Übersetzungen sowie Hinweisen zu Mali und seinen Nationalfarben gestaltet. Stäbert beschreibt das Erlebnis in der Botschaft Malis als typisch für ihre Arbeit. „Wenn wir irgendwo etwas anfragen, dann geht eine Tür auf – und mit ihr ein Haus, ja eine ganze Welt.“ Für sie ist wichtig, dass die Menschen ins Singen und Miteinanderschwingen kommen.
Zur Aquabella-Akademie kommen (nicht nur in Rudolstadt) die unterschiedlichsten Menschen, vom studierten Musikethnologen über die Frau, die noch nie gesungen hat, bis zu dem Mann, der der festen Überzeugung ist, nicht singen zu können. Eine friedvolle, wertschätzende Atmosphäre lädt die Teilnehmenden ein, sich auszuprobieren. Fehler dürfen passieren – oder, wie Stäbert sagt: „Fehler, etwas anders buchstabiert, sind Helfer.“ Auch Menschen, die vielleicht nicht so gut singen können oder dies glauben, kommen ganz beseelt aus den Workshops. Bei ihren Konzerten möchte Aquabella die Zuhörenden auf eine musikalische Weltreise mitnehmen. Laut Bettina Stäbert kann man sich so plötzlich auf einem Marktplatz in Bulgarien oder in der Ukraine wiederfinden, und spätestens bei der Zugabe darf natürlich ein Mitsinglied nicht fehlen. „Bei Aquabella bekommt man zusätzlich etwas Schwebendes oder Schwingendes und stellt vielleicht fest, dass die europäische Gesangskultur nicht nur aus Dur und Moll besteht“, formuliert es die Schauspielerin im Erstberuf und studierte Sängerin, Bildungswissenschaftlerin und Rhythmuspädagogin. Ihr Engagement trägt wesentlich zur Weiterentwicklung der Aquabella-Akademie bei.
Jeder Workshop erfährt zudem eine Nachbereitung. So erhält, wer sich in den Mailverteiler einträgt, detaillierte Informationen zu den Übungen, ihrer Reihenfolge und den Lernschritten. So muss keiner während des Workshops mitschreiben, sondern kann entspannt teilhaben. Beim Workshop in Rudolstadt wurden zusätzlich Aufnahmen gemacht, die mit den Noten, Texten und zusammen mit einer von Stäbert eingesungenen Stimme in eine Cloud hochgeladen werden. Ergänzt wird das Material durch Tipps zu Stimm- und Körperarbeit und so zu einem wertvollen Fundus für Chorleitungen und Singbegeisterte.
Inzwischen ist bereits eine große Aquabella-Fangemeinde gewachsen, und beim Kurs in Rudolstadt wird für weitere Konzerte, Workshops, Chorcoachings und die Jahresgruppe 2026 geworben. Nach ihren Wünschen gefragt, führt Bettina Stäbert gleich mehrere an. „Was ich cool fände, wäre tatsächlich einmal hier in Rudolstadt auf dem Markt mit allen gemeinsam zu singen. Dann würde ich unfassbar gerne nach Georgien reisen, wohin ich schon viele Kontakte aufgebaut habe. Zudem würde ich mich sehr freuen, in zwei Jahren, also 2027 – wenn sich zum dreißigsten Mal unser Folkförderpreis jährt –, nochmals einen großen Auftritt in Rudolstadt zu haben. Weil wir gefühlt hier zur Familie gehören – Aquabella und Rudolstadt, das gehört zusammen.“
Aktuelles Album:
Heimatlose Lieder finden ein Zuhause (Jaro Medien, 2023)








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