Kühlschrank leer, Aschenbecher voll

Götz Widmann

28. Februar 2025

Lesezeit: 4 Minute(n)

Götz Widmann hat wieder einmal ein neues Album veröffentlicht. Blütenduft heißt es und der Liedermacher bleibt sich selbst und seinen Themen treu.

Text: Wolfgang Weitzdörfer; Fotos: Pauline Strassberger

Das Cover deines neuen Albums sieht sehr nach den Siebzigern aus – hattest du beim Schreiben nostalgische Gefühle?

Ich träume mich beim Schreiben tatsächlich immer wieder gerne mal in die Siebzigerjahre zurück, es gibt da so ein Lebensgefühl – irgendwo zwischen Leonard Cohens Songs Of Love And Hate und Bob Dylans Desire –, zu dem es mich immer wieder hinzieht. Das Cover hat allerdings mein Freund Sven Knoch mal so in paar Minuten gemacht und mir per WhatsApp geschickt, als ich ihm erzählt habe, dass mein neues Album Blütenduft heißen soll. Er ist Designer und hatte in den Neunzigern auch mal ein Album meiner alten Band Joint Venture entworfen. Wir hatten uns jetzt bei meiner „Dreißig-Jahre-Joint-Venture“-Tour nach Langem mal wieder gesehen und uns sofort wieder bestens verstanden. Das war für mich ein Zeichen, dass wir wieder mal was zusammen machen sollten. Er hat auch das Booklet designt, wieder im schönen alten Cartoonstil – wie auf Extremliedermaching. Da hat sich mal wieder ein Kreis geschlossen, ich liebe sowas!                                       

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Wie schreibt ein Götz Widmann eigentlich seine Songs?

Da hat sich nie was geändert: immer noch am besten, indem ich dabei einen Kühlschrank leere und einen Aschenbecher vollmache. Ich habe dem Rausch eigentlich alles zu verdanken.

 „Großkonzern“ ist Punkrock pur – wie gut gehen Liedermacher und Punk zusammen?

Für mich schon immer prima. Ich erhebe in meinen Texten ja auch eher den Mittel- als den Zeigefinger, das passt. Ich spiele ziemlich oft auf Punkfestivals wie dem Ruhrpott Rodeo, dem Spirit oder Punk im Pott – das macht mir richtig Spaß, Moshpit vor der Bühne hat man als Liedermacher nicht so oft. Ich bin dann immer ganz stolz, dass ich der einzige Akustikklampfenheini weit und breit bin, der da auftreten darf. Irgendwann nenne ich auch mal ein Album „Nylonpunk“ – ich warte nur noch auf die richtigen Songs …

Im krassen Gegensatz dazu steht „Romi“ – wer oder was ist Romi?

Ich hab mich schon immer mit am wohlsten in so typischen Landkommunenhippieumgebungen gefühlt, ob das jetzt auf den Kanarischen Inseln oder in Niedersachsen ist. Ich mag die freundliche Atmosphäre, das gesunde Essen, den geheimnisvollen Geruch nach Hasch und Räucherstäbchen und die Musik sowieso. „Romi“ ist ein Lied, das ich mal als Dankeschön für extrem nette Menschen angefangen habe, bei denen wir im Sommer 2023 eine sehr lebensfrohe Woche verbringen durften. Es war eigentlich ganz privat gedacht, hat sich dann aber so ein bisschen ins Universale verselbständigt. Ich habe irgendwann gemerkt, dass ich nicht der Einzige bin, dem schon mal eine Romi begegnet ist.

Blütenduft ist dein siebzehntes Soloalbum. Was treibt dich nach einem Vierteljahrhundert an?

Immer noch dasselbe wie schon immer. Ich liebe nichts so sehr, wie an Texten zu arbeiten. Da fließen auch nach wie vor 95 Prozent meiner kreativen Energie hin. Wenn ich einen Abend freihabe und weiß, am nächsten Tag kann ich ausschlafen, sitze ich auf jeden Fall an neuen Songs. Es gibt Menschen, die es deprimierend finden, sich alleine zu betrinken, ich kenne kaum etwas Schöneres.

Du klingst bei aller Brachialität der Worte grundsätzlich positiv. Stimmt der Eindruck, bist du ein positiver Mensch?

Ich glaube schon, auch wenn ein realistischer Blick auf die aktuelle Lage der Welt das nicht gerade einfacher macht. Ich kann aber gar nicht anders, als das Schöne zu suchen. Ich liebe die Poesie des Alltags, die kleinen Momente. Ich weiß auch gar nicht, warum du das Wort „brachial“ verwendest, ich bin eigentlich eher ein zärtlicher Mensch …

Welche jungen und neuen Liedermacher hast du in den letzten Jahren entdeckt?

Ich bin gerade vor allem mit Melvin Haack und Cynthia Nickschas unterwegs. Beide wirklich extrem hör- und sehenswert, bin stolz, dass so tolle Leute bei mir Support machen.

Ist die Nachwuchsförderung immer noch das Hauptziel deines Labels Ahuga!?

Ehrlich gesagt, ist das irgendwann mal so sehr in Arbeit ausgeartet, dass ich es wieder aufgegeben habe. Mir war dann meine eigene Kunst am Ende doch wichtiger, und die hat unter den ganzen Sorgen um andere wirklich gelitten. Jetzt bin ich wieder der einzige hoffnungsvolle Nachwuchskünstler auf meinem Label und das ist gut so.

Hattest du seinerzeit eigentlich selbst Vorbilder – musikalisch wie textlich?

Die Arbeitsweise und den Spirit habe ich mir wohl hauptsächlich von Charles Bukowski abgekuckt, ansonsten haben mich mit Ausnahme von Rio Reiser eher englischsprachige Songwriter beeinflusst. Die deutschen Liedermacher fand ich tendenziell immer irgendwie zu belehrend. Am wichtigsten waren dabei definitiv Leonard Cohen, Bob Dylan und John Lennon.

„Ich habe dem Rausch eigentlich alles zu verdanken“

„Verkacken mit Verstand“ ist sicherlich einer der Songtitel des Jahres – ist das Zustandsbeschreibung oder Wunsch?

Irgendwo dazwischen. Ich glaube ich habe mir den richtigen Beruf zu meiner Lieblingslebensweise gesucht und es dann geschafft, trotz einer riesigen Rauschaffinitiät mein Leben meistens ganz gut auf die Reihe zu kriegen. Dazu gehörte aber definitiv auch eine ganze Menge Glück. Es ist auf jeden Fall möglich.

Du singst immer wieder übers Trinken – was ist Dein Lieblingsgetränk?

Abends Bier, morgens Kaffee.

Hast du eigentlich noch Kontakt zu J.B.O., in deren Vorprogramm du früher öfter gespielt hast?

Ja klar, wir sind nach wie vor Freunde. Vito hat mir auch immer die elektrischen Gitarren auf meine Alben gespielt, wenn welche gebraucht wurden. Und ihr Tonmeister Christoph Beyerlein hat jetzt mein neues Album produziert. Das war ganz wunderbar mal so einem Profi bei der Arbeit zuzusehen, ich hatte das ja sonst immer weitgehend in Eigenregie gemacht.

www.goetzwidmann.de

www.youtube.com/@gotzwidmann2699

Aktuelles Album:

Blütenduft (Ahuga!, 2024)

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