Auf den Punkt #5: Yilian Cañizares

„Um Geschlechtergerechtigkeit zu erreichen, ist noch sehr viel Arbeit nötig.“

10. Mai 2022

Lesezeit: 2 Minute(n)

Wie erlebst du Geschlechtergerechtigkeit in deinem Job?

 Leider gibt es Geschlechtergerechtigkeit im musikalischen Ökosystem noch nicht. Der Anteil von Künstlerinnen ist nach wie vor gering. Das gilt ebenso für Frauen bei Ton- und Lichttechnik, Management, Konzertveranstaltung und so weiter. Künstlerinnen sind eine Minderheit in einer männlich geprägten Umgebung. Nehmen wir mich: In meiner Band bin ich die einzige Musikerin, selbst wenn es im Umfeld ein paar Frauen gibt. Allerdings ändert sich langsam etwas. Mehr Sängerinnen und Instrumentalistinnen leiten ihre eigenen Bands, Festivals setzen Frauenschwerpunkte oder achten generell darauf, das Geschlechterverhältnis möglichst ausgewogen zu gestalten. Damit kommen wir der Geschlechtergerechtigkeit in der Musik sicher näher, aber um sie zu erreichen, ist noch sehr, sehr viel Arbeit nötig.

 Was müsste sich für Frauen im Musikbusiness ändern?

 Ich glaube, dass wir viele Initiativen brauchen, um Frauen zu stärken. Das betrifft zum Beispiel Unterstützung für Projekte, die von Frauen geleitet werden, oder Workshops, in denen Frauen, die musikalisch und geschäftlich den Durchbruch geschafft haben, ihr Wissen an andere weitergeben können.

 Wie prägt deine Identität als Frau deine Arbeit, deine Musik – spielt dein Frausein hier überhaupt eine Rolle?

 Ich denke schon, dass es einen Einfluss gibt. In meiner Musik habe ich einen dezidiert weiblichen Blick auf mein afrokubanisches kulturelles Erbe. Diese Tradition kann sehr männlich-kraftvoll sein, hat aber genauso eine sensitive, weibliche Seite, auch wenn die nur selten öffentlich gezeigt wird. Diese weiblichen Aspekte sind ganz natürlich in meiner Musik präsent, und das mag ich sehr. Außerdem denke ich, dass ich nicht nur im direkten, sondern auch im übertragenen Sinn eine „Stimme“ habe, mit der ich auf Probleme aufmerksam machen kann wie eben Geschlechtergerechtigkeit oder Rassismus. Ich will schließlich nicht einfach nur schöne Musik machen, sondern auch zu einem stärkeren gesellschaftlichen Bewusstsein beitragen.

 Erlebst du chauvinistisches Verhalten im Alltag anders/häufiger/weniger häufig als in der Musik? Womit hängt das deiner Meinung nach zusammen?

 Da sehe ich keinen Unterschied. Kunst ist ein Spiegel unserer Gesellschaft – was in der Musik geschieht, das passiert außerhalb davon ebenso. Allerdings habe ich das großes Glück, in meinem Team mit wunderbaren Männern zu arbeiten, die diese Probleme sehr gut verstehen.

 Wie ließen sich Frauen und Männer für dich sprachlich formal am besten berücksichtigen – „MusikerInnen“, „Musiker*innen“ …?

 Im Spanischen haben wir diese Diskussion seit Kurzem auch. Aber das ist für mich keine Herzensangelegenheit, obwohl ich Frauen verstehen kann, die sich sprachlich diskriminiert fühlen. Wichtiger ist für mich die faktische Benachteiligung. Ich denke, dass wir in erster Linie die Fakten ändern müssen und nicht einzelne Wörter, um eine gerechtere Gesellschaft für Frauen und Männer zu erreichen.

yiliancanizares.com

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