Nicht überall trifft Billy Strings eigener Stil auf Zustimmung. Gerade von Puristen schlägt ihm immer wieder Kritik entgegen. Doch obwohl er das Genre mit neuen Elementen versieht, ist er durchaus ein Bewahrer der Tradition. „Man sollte keine Angst davor haben, den Bluegrass auf seine Art zu verändern. Aber gleichzeitig sollte man die Essenz nicht verlieren“, sagt der Musiker über das Schreiben seiner Songs. „Wenn man die Quelle kennt, kann man davon abzweigen.“ Strings kann weder Noten oder Tabulatur lesen noch hat er jemals Unterricht gehabt. Die Grundlagen für sein herausragendes Können hat ihm sein Stiefvater Terry Barber beigebracht, der in der Bluegrassszene Michigans ein bekannter Multiinstrumentalist ist. „In meiner Kindheit habe ich nur Bluegrass gehört und nichts anderes geübt als Flatpicking“, blickt Strings zurück. Aufgrund seines intuitiven Spiels auch auf dem Banjo oder der Mandoline verlieh ihm seine Tante Mondi schließlich seinen Spitznamen. Inzwischen ist er so mit der Musik und den Instrumenten verwoben, dass er kaum noch übt und seine dreistündigen Konzerte als tägliches Trainingspensum nimmt.
Was aber vor allem junge Fans in den Bann zieht, ist der Umgang mit seiner Vergangenheit – und die war alles andere als einfach. Denn Michigan, wo Strings aufwuchs, ist der Hotspot der seit Jahrzehnten grassierenden Opioidkrise der USA. Sein Vater starb an einer Heroinüberdosis als der kleine William zwei war. Aber auch seine Mutter und sein Stiefvater waren schwer drogenabhängig. „Es gibt nichts Schlimmeres als das Gefühl, dass du der Erste in der Schlange bist, der verliert“, beginnt Strings „This Old World“ von seinem Album Renewal, auf dem er sich endlich bereit fühlt, nicht länger zurück, sondern nach vorn zu schauen. Mit vierzehn verließ er sein Elternhaus, um sich nur noch der Musik zu widmen. Er lebte auf der Straße und geriet selbst in den Drogensumpf. Er sah Freunde sterben oder ins Gefängnis wandern. Erst die Mutter eines Freundes half ihm heraus und die Schule zu beenden. Zwar konsumiert Strings immer noch Cannabis und Psychedelika, aber schweren Drogen geht er aus dem Weg und seit seinem 23. Lebensjahr trinkt er keinen Alkohol mehr. Dennoch ist das Thema Sucht allgegenwärtig in seinen Liedern, etwa in „Hide And Seek“, das er bei der Grammy-Verleihung live spielte, oder dem ebenfalls vom neuen Album stammenden „Heartbeat Of America“, in dem er beschreibt, was die Drogen im Körper bewirken.
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