Elsa & der Viertelton

Weltmusik aus der Pfalz

8. März 2024

Lesezeit: 4 Minute(n)

Wer zum Teufel ist Elsa? Und was ist ein Viertelton? Kryptisch geht es zu im Namen des Pfälzer Weltmusiktrios samt Gästen. Peter Braun aus Ludwigshafen spielt Gitarre und singt, der Landauer Multiinstrumentalist Paul Reinig singt ebenfalls und bearbeitet Bouzouki, Mandoline, Gitarre, Akkordeon, Darbuka und Hackbrett, und Saitenderwisch Samer Alhalabi greift zur Oud und singt in arabesken Koloraturen.
 Text: Fred Balz

Wer könnte die Namensgebung besser erläutern als der Syrer Alhalabi: „In der arabischen und türkischen Musik gibt es mehr als Dur und Moll, vor allem Halb- und Vierteltöne.“ Die westliche Musik –abgesehen von (Free) Jazz und Neuer Musik – kennt diese Vierteltöne nicht, die nur auf bundlosen Saiteninstrumenten wie Geige oder Cello spielbar sind. Und Elsa ist übrigens eine Hundedame, die bei Proben geduldig den Vierteltönen lauscht.

In dem syrischen Oudvirtuosen Samer Alhalabi haben Braun und Reinig einen Bruder im Geiste gefunden. Gerne kommt weitere musikalische Unterstützung dazu, wie die Cellistin Isabel Eichenlaub, die das Trio mit ihrer musikalischen Erfahrung und Leidenschaft bei vielen Konzerten zum Quartett erweitert. Inzwischen ist sie bei fast jedem Auftritt dabei und ihr oft intuitives Spiel gerät zur spannenden Reaktion auf die fremdartig virtuosen Oudklänge. Weitere gelegentliche Gastmusikschaffende (und in Aufnahmen zu hören) sind Raymond Meisters an der Klarinette, Bernhard Weber an der Geige, Julian Losigkeit an Percussion und Bass sowie Ortrud Schaffner am Gesang.

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Elsa & der Viertelton beim Proben, v. l. Peter Braun, Elsa, Isabel Eichenlaub, Samer Alhalabi, Paul Reinig

Foto: Waltraud Zehnder-Liedke

Heimaten heißt das von der Stiftung Rheinland-Pfalz für Kultur unterstützte Debütalbum von Elsa & der Viertelton. Die Musik verbindet gekonnt westliche Folktradition mit orientalischer Musik – Orient trifft Okzident zum Tanzen, Grooven, Singen und Fühlen. Tabufrei kombinieren die Musikschaffenden deutsche Volkslieder mit Melodien und Rhythmen aus Alhalabis syrischer Heimat. So verweben sie beispielsweise Charlie Chaplins „Nonsense Song“ mit ägyptischer Filmmusik. (YouTube: https://www.youtube.com/watch?v=NgCQMW65shk) Peter Braun nennt als weiteres Beispiel das türkische Lied Ghazali“, das mit dem deutschen Volkslied „Es saß ein klein wild Vögelein“ gekreuzt wurde. In beiden Liedern geht es um erkaufte Liebe. In melancholischen Balladen wie „Ya Lur Hobouki“ ist Alhalabi in seinem Element. Tochter Tulin und Sohn Taim singen „A’atouna Al Toufoule“ mit dem Wechselrefrain „Gebt uns eine Chance“. Reizvoll klingt auch der männlich-weibliche Wechselgesang mit Ortrud Schaffner in „Der bucklige Fiedler“. Den tänzelnden Galopp des „Egyptian Reggae“ von Jonathan Richman zum krönenden Schluss vergisst man so schnell nicht.

„Musiker brauchen Freiheit.“

2015 war Samer Alhalabi aus Syrien geflohen. Frau und Kinder musste er zurücklassen. „Ich fühlte mich, als würde mein Herz zerrissen“, sagt der Musiker, der in Damaskus Musik studiert und an der Universität in Homs als Musikprofessor unterrichtet hat. Aber die Situation war für ihn nicht mehr zu ertragen. In einem Interview mit dem SWR ergänzte er: „Musiker brauchen Freiheit. Es war für mich sehr gefährlich, weil ich viele Lieder gegen die Regierung gesungen habe.“ Von der Überfahrt träumt er noch heute. „Es waren Kinder im Boot, die sich an Erwachsene klammerten. Ich kann nicht schwimmen und hatte Todesangst.“ Ein neues, unbekanntes Leben lag vor ihm. Die pfälzische Ortschaft Leimersheim ist für ihn zur neuen Heimat geworden. Sein Weg führte ihn zur Kirche im Ort. „Wo eine Kirche ist, ist auch Musik“, dachte er. Er sollte recht behalten. Im gleichen Jahr noch erklang in der katholischen Kirche St. Gertrud in der Kinderchristmette seine Oud. Zweieinhalb Jahre sollte es dauern, bis seine Frau und seine Kinder im Familiennachzug einreisen durften. Acht Jahre vergingen bis zur Einbürgerung, in denen er Deutsch gelernt, mit seiner Familie ein neues Leben aufgebaut, Freunde, Nachbarn und Arbeitskollegen gefunden hat.

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Elsa & der Viertelton, Heimaten (Trailer 1):

Dieses Video zeigt Bilder von Aufnahmesessions im Atlas-Tonstudio in Oberotterbach nahe der französischen Grenze. Zu hören sind Ausschnitte der Titel: „Salma Ya Salama“, „Hal Asmar Ellon/Hava Nagila“, „Kein schöner Land in dieser Zeit/Zorouny Kol Sana Marra“, „A’atouna Al Toufoule“, „Es saß ein klein wild Vögelein“, „Ghazali“, „Bint Ashalabeya“

Elsa & der Viertelton, Heimaten (Trailer 2):

Zu hören sind Ausschnitte der Titel: „Nathalie“, „Ya Lur Hobouki“, „Der bucklige Fiedler“, „Habibi Chaplin“, „Männer/Hana Alsekran“, „Zeina“, „Egyptian Reggae“.

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Aufmacher:
Elsa & der Viertelton, v. l. Paul Reinig, Isabel Eichenlaub, Peter Braun, Samer Alhalabi

Foto: Waltraud Zehnder-Liedke

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