Kleinkunst ganz groß, ganz klassisch – mit Bodo Wartke geht das wunderbar. Und weil wir gerade schon bei groß sind, wäre ja nur streamen oder eine CD allein zu klein, geradezu zu kleinlich. Eine große Produktion braucht heute wieder auch eine große Form, also eine Doppel-LP muss her. Normalerweise ist er ja nur mit Klavier oder mit einer Band zu hören und zu sehen. Zum fünfundzwanzigsten, nein, nicht Geburtstag des Künstlers, sondern Bühnenjubiläum, mitten in der Pandemie, gönnte er sich aber einen großen Auftritt mit dem WDR Funkhausorchester unter Leitung von Enrico Delamboye. Es gibt von diesem eloquenten Ententrainer, Klaviteur und Wundermann der sprachgewaltigen, locker-leichten Reimkultur einiges Zauberhaftes aus seinem Repertoire um die Ohren. Vom fast gewalttätigen Weicheiehemann mit der Axt aus seinen frühen Jahren bis zum Schlaflied, vom misslungenen Dreier bis „Konstanze“, der Konstanzer Tanztante, vom Liebeslied in vielen Sprachen bis zum Vogeltöter Papageno ist es ein lustiges Hopsasa. Selbst die ernsten Töne, die er anschlägt, sind witzig – Wartke ist eben auch ein Kabarettist. Wünsche nach einem autokratischen Regime und der politische Missbrauch der Religionen werden von ihm auf- und angegriffen. Sein politisch Lied ist nicht garstig. Das Kunststück, seine Melodien vom Klavier auf das Orchester zu transformieren, ist gut gelungen. Vier engagierte Arrangeure haben sich die betörende Orchesterbegleitung ausgedacht. Ihnen zu Ehren werden vier der Lieder als Bonustitel ohne Gesang, nur als Orchesterversionen zu Gehör gebracht. Lieder, Bücher und Bühnenwerke, Bodo Wartke schafft es seit Jahrzehnten, auf hohem sprachlichen und musikalischen Niveau Sinn und Unsinn charmant und intelligent zu servieren. Findet man nicht allzu oft. Pandemie und Lockdown sind vorbei und Geschichte, wer heute Glück hat, kann sich an dieser außergewöhnlichen Kombination zwischen großer Kleinkunst und großem Orchester inzwischen auch wieder live, vielleicht sogar ganz ihrer Nähe ergötzen.
Rainer Katlewski
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