Kol Colé

Freilach im Rheinland

7. März 2024

Lesezeit: 3 Minute(n)

Das Klezmerensemble Kol Colé aus Köln mit Musikschaffenden aus der Ukraine, Deutschland und Syrien lebt seine Offenheit in der Musik aus.
Text: Wolfgang Weitzdörfer

Dass die Domstadt Köln ein Schmelztiegel unterschiedlicher Kulturen ist, weiß jeder, der dort schon einmal Karneval gefeiert hat. In Köln gibt man sich nicht nur offensiv offen – in weiten Teilen ist man es auch. Und so ist es letztlich kein Wunder, dass sich Kol Colé – was übrigens soviel wie „Klang aus Köln“ bedeutet – in Köln zusammengefunden haben. Kopf des Quartetts ist die gebürtige Russin Bella Liebermann am Gesang, die von den beiden Ukrainern Igor Mazritsky an der Geige und Roman Nedzvetskyy am Klavier sowie dem Hückeswagener Akkordeonspieler Daniel Marsch unterstützt wird. Seit Kurzem ist auch der syrische Kurde Hesen Kanjo am Kanun, einer Kastenzither, dabei, der Einflüsse seiner Heimat in den Bandklang einbringt. Es dominiert aber klar der Klezmer, das Repertoire umfasst in erster Linie jiddische Lieder und Musik aus Russland, Weißrussland und der Ukraine.

„Gegründet wurde das Ensemble 2012 von Bella, Igor und Roman, ich bin dann zwei Jahre später dazugekommen“, sagt Daniel Marsch, der auch noch in einer Menge anderer Ensembles aktiv ist, etwa bei Tangoyim oder im Odessa-Projekt. Was die drei Gründungsmitglieder von Kol Colé indes eint, ist ihre Herkunft aus der Sowjetunion und die Tatsache, dass sie alle in den Neunzigerjahren nach Deutschland gekommen sind. „Sie reden Russisch untereinander, haben aber alle ganz unterschiedliche Lebensläufe. Bella ist in Russland geboren, in der Ukraine aufgewachsen, hat in Weißrussland studiert und in Moldau gelebt, ehe sie dann nach Deutschland gekommen ist. Igor wiederum kommt aus Odessa, hat in Moskau studiert und dann in Israel gelebt. Roman wurde ebenfalls in der Ukraine geboren, studierte in Moskau und lebt und arbeitet seit 1999 in Deutschland“, erzählt Marsch. In jüngster Zeit sind auch Katja Kashuba am Klavier und die Sängerin Karyna Serdjuk dazugestoßen, die beide vor den russischen Invasoren aus der Ukraine nach Deutschland geflohen sind.

Kol Colé live im Kulturrat Bochum - v. l. Roman Nedzvetskyy, Igor Mazritsky, Daniel Marsch, Bella Liebermann, Karyna Serdjuk

Foto: Promo

 

Das Publikum, das Kol Colé anzieht, ist dabei ganz unterschiedlich. „Wir spielen in Kirchen oder bei anderen Veranstaltungen – dorthin kommt das durchschnittliche Konzertpublikum. Wenn wir aber bei Feiern zu Chanukka oder Purim auftreten, oft in jüdischen Gemeinden, dann kommen dorthin fast ausschließlich sowjetrussische Juden, und es wird nur auf Russisch kommuniziert“, erläutert der Akkordeonist, der selbst weder russische noch jüdische Wurzeln hat, die jiddische Musik aber „hochinteressant“ findet, wie er sagt.

Auch wenn er merkt, dass auf Festivals bevorzugt Musikschaffende und Bands mit entsprechenden Wurzeln gebucht werden, glaubt er, dass Klezmer etwas ist, das man auch lernen kann. „Die besten Klezmermusiker, die ich kenne, sind nicht unbedingt damit aufgewachsen. Es ist eben eine Kultur, die von 1942 bis 1945 komplett zerstört wurde. Nur in den USA hat sie ein wenig überlegt – noch nicht einmal in Israel wollte man sie, und in der Sowjetunion schon gar nicht.“ Es ist nun „ein Wiederbeleben dieser Kultur“, ein Aufrechterhalten. 

„Es ist ein Wiederbeleben dieser Kultur.“

Das sieht auch die Sozialarbeiterin, Schriftstellerin und Musikerin Bella Liebermann ein wenig als ihre Mission. Aus gutem Grund, wie sie in einem Porträt in der Jüdischen Allgemeinen berichtete: „Der Wechsel der Lebensumstände ist nichts Neues für das jüdische Volk – schließlich spricht fast jeder in der dritten Generation nicht mehr die Sprache der Urgroßeltern.“ Kol Colé ist ein wichtiges Standbein für die Sängerin. „Wir stehen oft auf der Bühne und haben auch schon Konzerte in Marokko und Spanien gegeben“, sagt sie. Sie sieht ihr Aufwachsen im „Schtetl“ in der Ukraine als steten Quell der Inspiration. „Bis heute gibt mir diese Quelle immer noch Kraft, dort sind meine Wurzeln und meine seelische Heimat, obwohl niemand aus meiner Familie mehr dort lebt.“ Sie erlebt Köln, ihre neue Heimat und die Menschen im Rheinland als offen – genau wie die jüdische Kultur. Sie lebt gerne hier. „Dafür steht der jiddische Begriff freilach – eine aktive und erlebte Freude. In der Klezmermusik gibt es auch viel ‚Freilach‘*“, so Bella Liebermann.

Fraglos nachzuhören bei einem Konzert von Kol Colé – oder auf dem bislang einzigen Album Oyfn Veg von 2016.

 

* Als „Freilach“ (jidd. „fröhlich, ausgelassen“) bezeichnet man im Klezmer die lebensfrohen, mitreißend schwungvollen Stücke.

www.kolcole.de

Videos:

Trailer Zigeunernacht Köln 2019: www.youtube.com/watch?v=3i746VR_vIA

„Hey, Sokoly – Гей, соколи“, ukrainischer Folksong in der Interpretation von Kol Colé & Karyna Serdiuk: www.youtube.com/watch?v=tjVij4vvd5w

 

Aufmacherfoto:

Kol Colé, v. l. Roman Nedzvetskyy, Bella Liebermann, Daniel Marsch, Igor Mazritsky

Foto: Promo

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