Musizieren per Computer

Digitaler Unterricht an der Musikschule Dortmund

21. Dezember 2022

Lesezeit: 4 Minute(n)

Die Musikschule Dortmund gilt als Pionierin in der Digitalisierung des musikalischen Unterrichts. Ihr Angebot beschränkt sich aber nicht einfach auf das weite Spektrum von Onlinemöglichkeiten. Seit 2022 bietet das Institut eine eigene Ausbildung an, in der Interessierte lernen, wie sie den PC als Instrument einsetzen.
Text: Erik Prochnow

„Die Pandemie war für uns nicht nur negativ“, sagt Martin Peitz, Leiter des House of Popular Music an der Musikschule Dortmund. Denn wo andere Institute sich mit der Aufrechterhaltung von Unterricht herumschlugen, konnte Peitz das vorantreiben, was ihm seit Jahren am Herzen liegt: ein Unterrichtsangebot für digitale und elektronische Musik. „Durch die Notwendigkeit des Onlineunterrichts haben sich für uns Möglichkeiten ergeben, die wir vorher nicht gesehen haben“, blickt der 45-Jährige auf die vergangenen beiden sehr herausfordernden Jahre zurück.

Die drittgrößte Musikschule Deutschlands zählt heute zu den Vorreitern in puncto Digitalisierung. Mit 150.000 Euro ist das Institut in Deutschland größter Förderempfänger der staatlichen „Offensive für Bildung, Forschung und Digitalisierung“. „Die Förderung gibt es aber nicht einfach so, sie verpflichtet uns, zu handeln“, betont Peitz. So werden neben eigenen finanziellen Mitteln auch konkrete Umsetzungen im Schulprogramm und die Weiterbildung des Kollegiums verlangt. „Einfach nur Computer zu kaufen, macht keinen Sinn. Wir haben extra zwei Lehrkräfte für digitale Medien eingestellt und eine eigene Ausbildung entwickelt“, so der Schulleiter.

Die rund 13.000 Lernenden und über 200 Lehrkräfte der Musikschule können sich damit über ein Unterrichtsangebot freuen, das zukunftsweisend ist. Die Onlinetreffen sind heute integrierter Bestandteil der Kurse, aber nicht nur, wenn jemand mal nicht persönlich erscheinen kann. „Videochats, Internettutorials und das Teilen zu Hause erstellter Audio- und Videoaufnahmen sind eine große Bereicherung. Darüber hinaus planen wir Liveworkshops mit internationalen Dozenten und die Einführung von Videosprechstunden für Eltern“, erklärt Peitz. Besonders die eigenen Aufnahmen als Hausaufgabe fördern das selbständige Lernen. Nicht nur müssen die Schülerinnen und Schüler die Herausforderung in einer bestimmten Zeit erledigen, sie müssen mit dem Ergebnis auch selbst zufrieden sein. Laut Peitz funktioniert das ebenfalls gut mit größeren Gruppen wie etwa dem dreizehnköpfigen Ukulelenensemble der Schule.

Diese Maßnahmen sind allerdings nicht das eigentliche Herzstück der Dortmunder Digitalisierungsoffensive. „Unser Schulangebot geht weit darüber hinaus“, sagt Peitz. So erfordere das Aufnehmen zu Hause nicht nur spezielle Kenntnisse, es sei heute auch technisch viel einfacher und für jeden zugänglich. Bedurfte es vor einigen Jahren noch eines Computers, reicht inzwischen ein Smartphone. Für jüngere Menschen sei es ohnehin normal, fast ausschließlich damit zu arbeiten. Technologisch böten die Geräte inzwischen unglaubliche Möglichkeiten. „Die einfache Aufnahmesoftware GarageBand ist etwa auf Apple-Geräten Standardausstattung“, so Peitz. Selbst ausgefeiltere Programme wie Cubase lassen sich inzwischen in abgespeckter Form für wenig Geld auf Smartphones installieren. Apple bietet zudem Apps wie Xewton Music Studio, mit der man bis zu 127 Spuren mit 123 virtuellen Instrumenten aufnehmen kann, oder den professionellen Drumsampler BeatMaker.

Über die Software kann man die Geräte auch mit Audio-Interfaces verbinden. Diese externen Soundkarten dienen als Schnittstellen zwischen Computer oder Smartphone und Instrumenten wie E-Gitarren oder auch Mikrofonen, Verstärkern und Studiomonitoren. Die Interfaces können bereits direkt im Laptop oder Smartphone verbaut sein, sehr gute Lösungen bieten aber auch die hochwertigen Aufnahmegeräte des Herstellers Zoom, mit denen man mehrere Spuren aufnehmen und Instrumente wie etwa Keyboards direkt anschließen kann. „Oft sind die Mikrofone in diesen Geräten nicht schlecht. Wer aber wirklich hochwertige Qualität möchte, sollte ein externes Mikrofon einsetzen“, fügt Peitz hinzu.

„Wir wollen den Schülern vermitteln, dass sie den PC als Musikinstrument verstehen.“

Wie man nun mit diesen Geräten eigene Aufnahmen produziert oder sogar elektronische Musik erschafft, steht an der Musikschule Dortmund seit diesem Jahr im Zentrum einer neuen Ausbildung. „Wir wollen den Schülern vermitteln, dass sie den PC als Musikinstrument verstehen“, sagt Peitz. Im Rahmen der hauseigenen Jazz Akademie und Pop School bietet das Institut daher die zweijährige Ausbildung „Digitale & elektronische Musik“ an, die um ein Jahr verlängert werden kann. „Neben den Pflichtfächern Klavier, Gitarre, Ensemble und Theorie beschäftigen sich die Teilnehmer vor allem mit Programming“, erläutert Peitz. Darunter versteht er ein breites Spektrum, das unter anderem das elektronische Komponieren und Arrangieren sowie das Zusammenwirken von Akustikinstrumentierung und Digitalität bei Liveauftritten oder in Studioproduktionen umfasst. Die Ausbildung ist für jedes Alter ab sechzehn Jahren offen, und das Abschlusszeugnis kann zur Vorbereitung auf die Aufnahmeprüfung an einer Musikhochschule genutzt werden.

Einzelne Themen der Ausbildung werden darüber hinaus in Workshops angeboten. Dazu gehören zum Beispiel der Einsatz von Beats oder Loops, elektronisches Klangdesign, digitales Aufnehmen mit anderen oder das Steuern von Konzerten mit der Software Ableton Live. Ein sehr gefragtes Thema sind Remixes. „Auch in diesem Jahr haben wir sehr gut besuchte Kurse für Remix.ruhr veranstaltet“, berichtet Peitz. Bei dem Wettbewerb der Ruhrmusikschulen erhalten Teilnehmende einzelne Audiospuren eines Songs, die sie innerhalb von 48 Stunden in eigene digitale Remixe verwandeln können.

Seit 2018 macht sich der studierte Gitarrist und Musikpädagoge, der vorher in Münster eine eigene Musikschule leitete, für Digitalisierung stark. Eine reine Onlinemusikschule kann er sich jedoch nicht vorstellen. „Dafür bringt der Onlineunterricht auch zu viele Probleme“, sagt er. Bei der Gitarre möge es noch funktionieren, aber andere Instrumente seien oft schwer per Video zu hören. Zudem gebe es immer eine Signalverzögerung. Hinzu kommt, dass während der Pandemie viele Lehrkräfte nicht von zu Hause aus unterrichten konnten, weil sie in ihren Mietwohnungen nicht den ganzen Tag musizieren dürfen. Auch Körperhaltungen ließen sich am Bildschirm nur schwer korrigieren. Für Martin Peitz ist daher klar: „Bei aller Technikbegeisterung geht nichts über die tatsächliche Präsenz, wenn man gemeinsam gute Musik erschaffen möchte.“

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