Auf den Punkt: Paul Bartsch, Liedermacher, Halle (Saale)

„Bloße Lippenbekenntnisse oder vertonte Schlagzeilen bringen niemandem etwas.“

8. September 2024

Lesezeit: 2 Minute(n)

Was verstehst du unter politischem Lied, politischer Musik?

Lieder, die sich an der Realität reiben, im Großen wie im Kleinen. Die Fragen stellen. Die auf der Suche sind nach einer besseren Welt. Selbst eine Utopie, ein Märchenmotiv oder ein historischer Vergleich sagen ja etwas über das Hier und Heute aus. Und dass Liebe, Partnerschaft, Sexualität hochpolitisch sein können, ist inzwischen auch kein Geheimnis mehr.

Was kann ein politisches Lied bewirken?

Zunächst mal bei dem, der es schreibt, ein intensives und selbstkritisches Nachdenken darüber, was das jeweilige Thema mit ihm selbst zu tun hat. Bloße Lippenbekenntnisse oder vertonte Schlagzeilen bringen ja niemandem etwas. Und beim Zuhörer (m/w/d) im besten Fall ein zuversichtliches Nachdenken über die Frage „Was kann ich selbst tun?“.

Welches Lied findest du besonders wichtig und warum?

Gerhard Gundermanns „Die Letzten werden die Ersten sein“, das uns im Osten frühzeitig den Spiegel vorhielt. Und sein hellsichtiger Text „Alle oder keiner“, den er Neil Youngs Klassiker „Rockin’ In The Free World“ verpasst hat. Dann „Sie werden kommen“, in dem Wenzel und Mensching schon vor über dreißig Jahren beschrieben, was uns heute blüht. Und „Es ist an der Zeit“, Hannes Waders leider noch immer hochaktuelle Übertragung von Eric Bogles „No Man’s Land (Green Fields Of France)“.

Bloße Lippenbekenntnisse oder vertonte Schlagzeilen bringen niemandem etwas.

Welche Bedeutung hat – oder welche Rolle spielt – Politik in der Musik heute aus deiner Sicht?

Ich denke, das lässt sich nur individuell aus der Sicht der Protagonisten beantworten. Für mich war und ist es einfach wichtig, mich selbst in dieser Welt zu verorten, und da bleibt es nicht aus, dass sich unsere gesellschaftlichen Angelegenheiten im Text wiederfinden. Sie betreffen mich, und diese Betroffenheit will und muss ich zeigen.

Oft werden politische Lieder missbraucht, vereinnahmt, fehlinterpretiert. Wo ist die Grenze? Ist das legitim? Lässt sich das überhaupt verhindern?

Jede Kunst bietet Interpretationsspielraum. Da bleibt es nicht aus, dass – absichtsvoll oder ungewollt – Fehldeutungen entstehen. Wenn daraus bewusster Missbrauch wird, muss man etwas dagegen unternehmen. Notfalls juristisch: Neil Young hat seinerzeit dem Wahlkampfteam von Donald Trump per Gericht untersagt, seinen erwähnten Song „Rockin’ In The Free World“ einzusetzen.

 

www.zirkustiger.de

Paul Bartsch

Foto: privat

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