Konzerte und ihr Drumherum sind große Verursacher von CO2-Emissionen. Doch genau da können Musikschaffende ansetzen, um mit gutem Beispiel voranzugehen. Was lassen sie sich einfallen, welche Anstrengungen unternehmen sie, um ihren individuellen Beitrag zu leisten? Der folker hat sich drei Herangehensweisen näher angeschaut.
Text: Stefan Backes
Der Zug hat fünf Minuten Verspätung – fast schon eine Meisterleistung der Deutschen Bahn derzeit. Von Angermünde, seinem Zuhause in der Uckermark, geht es für Bastian Bandt zum Auftritt nach Rheinland-Pfalz. Zwei Tage zuvor war es noch Hiddensee, wo man nur per Fähre hinkommt. Samt Gitarre und Gepäck ist er zu seinen Konzerten ausschließlich mit öffentlichen Verkehrsmitteln unterwegs. Bringt er eigene PA mit, kommt eine Sackkarre dazu. Moderne Kleinanlagensysteme machen es möglich.
„Wenn ich mehr mitnehmen muss als nur die Gitarre, bastele ich leidenschaftlich so lange und suche Fahrradanhänger, Gurtsysteme, Taschen und Koffer, bis alles mitkann“, sagt der 45-Jährige, der seit 2018 bei seiner Tourplanung komplett ohne eigenes Auto auskommt. „Bühnenbild, Instrumente, Technik, Klamotten suche ich mir nach Pack- und Transportierfähigkeit aus. Und ich bin noch nie wegen der Bahn zu spät gewesen. Allen Unkenrufen zum Trotz.“ Umgestiegen ist er, als es gut lief, er außer dem Alltäglichen nur die Gitarre brauchte auf dem Weg zum Konzert – Technik und Technikmenschen waren vor Ort, Hotel am Platz. „Es war entspannter, effektiver und billiger. Ich konnte schreiben, lesen, schlafen, mit Leuten quatschen, Kaffee trinken … Ich konnte auch auf einmal viel mutiger buchen, was die Entfernungen angeht, weil ich Schlaf nachholen konnte und die Reisezeiten berechenbarer wurden.“
Vergangenen November ist nun Bandts neues Album Trauriges Tier erschienen (siehe Besprechung hier). Es war überfällig, liegt der Vorgänger doch schon fünf Jahre zurück – das damals mit dem Preis der deutschen Schallplattenkritik ausgezeichnete Alle Monde. Die neue Veröffentlichung ist seine erste beim Berliner Label Buschfunk, womit ein Wunsch in Erfüllung ging. „Auf fast allen Alben, die ich immer wieder höre und die mir das Leben gerettet haben, steht ‚Buschfunk‘ – das sollte auch bei meinen so sein.“
Neues Album? Fragt sich, was besser für die Umwelt ist, Tonträger oder Streaming. „Wir produzieren da einen Haufen Sondermüll, ohne Frage“, gibt er zu. „Wir bieten beides an, dennoch empfinde ich die physische Präsenz eines Albums als etwas Besonderes und Schönes. Über das Medium lässt sich verhandeln – ich glaube nicht, dass CD oder Vinyl das Beste ist, was wir hinkriegen. Aber die verbindliche Zusammengehörigkeit, unveränderliche Reihenfolgen, Gestaltung und nicht zuletzt die Überreichbarkeit eines physischen Albums sind für mich maßgebliche Wertigkeiten, die die Inhaltlichkeit tragen und vervollständigen. Ich bin gespannt, welche Lösungen es da geben wird. Streaming ist hoffentlich nicht das letzte Wort.“
Ob haptisch oder digital, ein neues Werk will unter die Menschen gebracht, wahrgenommen werden. Das geht im Kleinkunstbereich am besten im direkten Kontakt mit dem Publikum. Zu diesem Zweck ist der Liedermacher auch 2023 intensiv unterwegs. 120 Konzerte spielt er im Jahr – „Viel weniger geht kaum, wenn es ein Beruf sein soll.“ –, und mit dem Auto würde er dazu locker 50.000 Kilometer zurücklegen. „Wenn man als Selbstständiger die Struktur seines Berufslebens gestalten kann, muss man das gewissenhaft tun“, findet er. „Ich versuche auch alle Dinge, die ich dafür brauche, wie Plakate, Bühnenklamotten, Grafik oder Internetbetreuung, regional zu lösen.“
Viele Wege legt Bastian Bandt zudem zu Fuß zurück, läuft vom Bahnhof zum Spielort oder nutzt – wie auf Hiddensee – das Fahrrad zwischen Quartier und Konzertsaal. „Ich kann nicht diese Lieder machen und vorsingen und dafür Geld nehmen“, ergänzt er, „und dann, wenn es um meine Bequemlichkeit oder meinen persönlichen Vorteil geht, auf alles pfeifen.“ Dass der Planungsaufwand dieser Art zu reisen andere überfordert, kann er nachvollziehen. Ihm liegt er.
In die Lieder lässt er seine Einstellung allerdings nicht explizit einfließen. „Das sind Dinge, die mir selbstverständlich und folgerichtig vorkommen. In meiner Musik ist das alles drin, eingewoben in eine Haltung, einen Blick auf die Menschen und die Dinge. Wer das hören kann, hört es.“ Songs von Kolleginnen und Kollegen, die sich über vegane Ernährung, Umweltaktivismus oder auch die Bahn lustig machen, hält er dagegen für unangebracht. „Dazu ist es zu knapp, zu dringlich.“
Bandt nimmt eher sich selbst, aber auch die ganze Kulturbranche in die Pflicht. „Alle, die Kunst machen und dafür reisen müssen oder heizen oder sonst irgendwelche Ressourcen brauchen, müssen sich überlegen, wie sie das machen. Alle anderen irgendwann auch, aber wir zuerst, weil wir der Spiegel sind, die im Licht, die mit den Stimmen.“ Mag seine eigene dichterische, musikalische Stimme nur eine leise sein, ist ihm doch daran gelegen, so zu leben und zu arbeiten, dass möglichst wenige dabei zu Schaden kommen.
Auf die Frage, was er denkt, wie lange er dazu in der Lage sein wird, auf diese Weise zu touren, wird Bastian Bandt nachdenklich. „Neulich kam so ein Schreiben, auf dem draufsteht, wie viel Rente ich mal kriege – ich werde wohl noch sehr lange fahren. Zum legendären Früh-Sterben ist es zu spät, und fünf Alben sind noch kein Lebenswerk, also weiter!“
Aktuelles Album:
Trauriges Tier (Buschfunk, 2023)
Videos:
„Halt meine Hand“ (offizielles Musikvideo): www.youtube.com/watch?v=FLXAWHMUZDs
„Erst wenn du nicht mehr weißt“ bei den Aufnahmen zum Album Alle Monde: www.youtube.com/watch?v=WWyo2ss-n94
„Pinocchio“ aus dem Quarantänekonzert aus dem Kulturzentrum Alte Brauerei in Angermünde: www.youtube.com/watch?v=Ar_dRiYr8Ak
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