In der senegalesischen Hauptstadt fand vom 9. bis 11. Februar 2023 die Musikmesse Dakar Music Expo statt. Hauptthema war die Musikindustrie im Zeitalter der Digitalisierung.
Text und Fotos: Martina Zimmermann
Dakar. Rund fünfzig ausländische in der Sparte Musik arbeitende Menschen aus den Bereichen Organisation und Journalismus sowie fünfhundert Teilnehmende aus Senegal und Westafrika debattierten drei Tage lang im Institut Français von Dakar über den Zustand der (digitalen) Musikwelt in Afrika – und in Frankreich. Denn die Messe, die 2020 zum ersten Mal stattfand, wird von Anfang an vom Institut Français unterstützt. Die Idee zur Dakar Music Expo (DMX) stammt von Doudou Sarr, Manager und Agent von Senegals Superstar Youssou N’Dour. Sarr ist seit vielen Jahren ein professioneller Akteur der senegalesischen Musikszene. „Seit ein paar Jahren steht die Musikwelt vor ständigen Herausforderungen im Zusammenhang mit der Wirtschaft, der Kreativität, der Technologie und den lokalen, regionalen und internationalen Märkten“, sagt der Veranstalter der Messe. Die vierte Ausgabe der DMX wollte sich über diese Herausforderungen austauschen angesichts einer Musikindustrie, die auf dem afrikanischen Kontinent inzwischen zu achtzig Prozent übers Internet gedealt wird.
Die Lage in Senegal illustrierte Aziz Dieng, Berater im Kulturministerium des Landes, indem er auf den immer noch schwierigen sozialen Status der Kulturschaffenden hinwies. „Youssou N’Dours Musiker tourten 25 Jahre mit ihm durch die ganze Welt“, erinnert Dieng. „Aber als N’Dour 2012 Minister wurde und seine Musikkarriere vorübergehend in Klammern setzte, standen diese Musiker plötzlich vor dem Nichts.“ Es gebe seither Lichtblicke im Senegal: Subventionen für kreative Projekte, ein Gesetz zum Status von im Musikbereich Arbeitenden, das ihnen Rechte einräumt wie allen Arbeitnehmenden. Wie die Autoren- und Autorinnenanteile beim Kauf von Streaming einbehalten und verteilt werden sollen, wird derzeit von der Regierung mit den Akteuren und Organisationen der Musikindustrie verhandelt. In Senegal ist es sehr beliebt, Songs als Klingelton auf dem Handy zu verwenden. Allein im Bereich von Musik auf Mobiltelefonen rechnet Dieng in zwei bis fünf Jahren mit Einnahmen in Höhe von über zwei Millionen Euro.
Im Senegal gibt es gefühlt mehr Künstler und Künstlerinnen pro Quadratmeter als irgendwo sonst. Ihre genaue Zahl ist aber selbst dem ministeriellen Berater unbekannt. Er schätzt sie auf rund vierzigtausend Personen, die ihren Lebensunterhalt tatsächlich mit ihrer Kunst verdienen und somit als solche registriert werden können. Kalidou Diop, dessen Firma Neegurap 98 Prozent der Filmmusik in Senegal produziert, beklagte vor allem den Informationsmangel für Kulturschaffende. Der frühere Rapper übernahm mit seinen Partnern im Alter von 22 ein Musikstudio. Der damalige Student machte damit seine informelle Beschäftigung offiziell zum Beruf. Sein Studio zahle Steuern und Lohnkosten für die Angestellten, was das Ansehen bei der Kundschaft erhöhe. Als weiteres Problem macht er jedoch die Ausbildung aus, auch wenn die Organisation der Musikberufe, die Association des Métiers de la Musique au Sénégal (AMS), seit der Jahrtausendwende Fortbildungen in Senegal anbietet.
Podiumsdiskussion bei der DMX 2023 mit v. l. Aziz Dieng, Daniel Gomis (AMS), Kalidou Diop
Das weltweite Business finde auf Englisch statt, weiß Doudou Sarr. Das französischsprachige Afrika sei vom internationalen Geschäft fast abgeschnitten. Um dem abzuhelfen, waren in Dakar auch anglofone Musikprofis eingeladen. Yoel Kenan, der Produzent des Welthits „Jerusalema“, ist ein Franzose, der lange in Südafrika gelebt hat, wo der Song herkommt. Heute arbeitet Kenan mit den Märkten in Südafrika und Nigeria. Obwohl seine Firma Africori in Südafrika die zweitwichtigste nach Sony sei und in Nigeria in Verbindung mit einem lokalen Partner auf Platz zwei liege, beklagt Kenan, dass sich der Markt in Afrika in den vergangenen zehn Jahren nicht wie erhofft entwickelt habe. Es seien meist lokale Märkte, die nur ein Zwanzigstel des Geschäfts in Lateinamerika oder China ausmachen.
„Senegals Kulturschaffende gehen nach Frankreich und machen dort eine andere Musik als auf dem lokalen Markt in Senegal“, stellt Kenan fest. Damit seien sie vielleicht in Frankreich erfolgreich, aber nicht mehr im eigenen Land. „Jerusalema“ sei in den Top Ten in Südafrika gewesen, dann Nummer eins und habe erst dank Tiktok und Instagram Nigeria, Angola, Portugal und schließlich Frankreich erobert. „Leider nicht die USA“, bedauert der mit dem Hit reich gewordene Produzent. „Vielleicht kommt das noch.“ „Jerusalema“ laufe derzeit erneut auf allen Kanälen in den USA, und solche beständige Arbeit mache sich bezahlt. Kenan erzählt, dass er selbst sieben, acht harte Jahre im Musikbusiness gearbeitet und Karrieren aufgebaut hat. Wenn seine Künstler und Künstlerinnen dann erfolgreich waren, wurden sie ihm von den Majors weggeschnappt, die Vorschüsse bezahlten, „die wir nicht haben“. Senegal habe Potenzial, so der Branchenprofi in Dakar, es fehle aber an internationaler Zusammenarbeit.
Tafa Diarabi im Rahmenprogramm der DMX 2023; Video: Martina Zimmermann
Godwin Tom, Direktor von Sony Nigeria, gab sich hingegen optimistisch. „Musik ist in Afrika, das Business ist auch hier“, sagte er auf Englisch. Künstler und Künstlerinnen bräuchten ein Ökosystem mit Rechtsvertretung, Texterinnen, Textern und vielen anderen Berufen, in dem sie sich entwickeln können. Wo Geld und Geschäft seien, folge auch das System. „Warum Afrobeat derzeit
überall so gut ankomme?“, lautete eine Frage aus dem Publikum. „Wir sind laut, und wir lieben unsere Musik“, so der Nigerianer. „Du musst zu Hause ein König sein.“ In Nigeria gebe es ein Gesetz, wonach im Radio zu 75 Prozent einheimische Musik gespielt werden muss. Heute höre man dank dieses Gesetzes auf Partys in Nigeria zu 99 Prozent einheimische Musik. „Das Volk macht deine Musik erfolgreich“, so Tom zu einem senegalesischen Rapper.
Immer wieder zitierten die Referenten das Beispiel von Youssou N’Dour, der seit Jahrzehnten in seiner Heimat und im Ausland erfolgreich ist. Der Dokumentarfilm Eyes Open von Celia Löwenstein von 1993, der den Superstar in seinen Anfängen in Dakar zeigt, wurde mit viel Beifall bedacht.
Konzerte mit Bands vor allem aus Senegal und Frankreich sowie DJ-Partys mit Electro rundeten das theoretische Programm ab. Es bleibt der Eindruck, dass es sich trotz aller Bemühungen um internationalen Touch bei der DMX um eine relativ geschlossene frankofone Veranstaltung handelt.
Foto Aufmacher: Podiumsdiskussion bei der DMX 2023, li. Yoel Kenan
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