Es gibt gemütlichere Orte als ein Zelt in Hamburg-Steinwerder in einem Areal mit dem Charme eines Industriegebiets, Mitte November bei Temperaturen knapp über null. Und doch hätte man an diesem Abend nirgends lieber sein wollen. James Taylor spielte das Abschlusskonzert seiner Europatournee in der Zeltphilharmonie, einem Acht-Mast-Zelt mit Platz für 1.650 Zuschauerinnen und Zuschauer. Und die gingen nach gut zwei Stunden reiner Spielzeit mit einem breiten Lächeln im Gesicht und dem Gefühl von Wärme im Herzen nach Hause.
Text und Fotos: Guido Diesing
Klar, man hätte sich einen schmucken Konzertsaal gewünscht, in dem man nicht in Mantel und Schal sitzen muss, man hätte gern auf das Rauschen der Heizung verzichtet – wobei der Verzicht auf die Heizung das noch deutlich größere Übel gewesen wäre –, aber unterm Strich war es ein grandioser Abend mit einem Künstler, der mit solch sympathischer Natürlichkeit und Authentizität begeisterte, dass der eigentlich angemessene Begriff „Star“ bei ihm seltsam fehl am Platz wirkt.
Mögen andere zunächst ihre Band zum Anheizen vorschicken, um dann selbst einen großen Auftritt zu haben – James Taylor macht es genau umgekehrt. Mit der Gitarre in der Hand kommt er allein auf die Bühne, schlurft zum Mikrofon, begrüßt die Zuschauer und beginnt das Konzert mit „Something In The Way She Moves“ von seinem Debütalbum von 1968. Nach und nach kommen die Musiker und Backgroundsängerinnen und -sänger dazu und komplettieren den Bandklang. Einen ersten Jubelsturm gibt es für „Country Road”, bei dem Bassist und Bandleader Jimmy Johnson zur Pedal-Steel-Gitarre wechselt und Countryakzente setzt. Überhaupt, was für eine fantastische Band! Man kann Taylor nur zustimmen, wenn er später im Konzert schwärmt: „Es ist das Beste, was man im Leben bekommen kann: reisen und Musik machen, ein Publikum finden und mit so tollen Musikern spielen.“
Da ist Gitarrist Michael Landau, der bei „(I’ve Got To) Stop Thinkin’ ’Bout That“ auch mal ins Rockregal greifen darf, tendenziell aber fast unterfordert wirkt. Gleiches gilt für Schlagzeuger Steve Gadd, der sich einfühlsam zurückhält und die Musik damit bestmöglich unterstützt. Im „Steamroller Blues“ macht Taylor selbst an Mundharmonika und E-Gitarre Druck und hebt scherzhaft hervor, was für ein großer Fortschritt die Erfindung der E-Gitarre im Vergleich zu den früheren Gas- und Dampfgitarren war. Für einen willkommenen Farbtupfer sorgt Backgroundsängerin Andrea Zonn, die als Intro zu „Sweet Baby James“ eine Folkmelodie auf der Geige spielt. Im gospelgetränkten „Shower The People“ bekommen später auch die anderen beiden Mitglieder des Backgroundchors (Kate Markowitz und Dorian Holley) die Gelegenheit, in kurzen Soloeinwürfen zu zeigen, dass sie mehr draufhaben als nur Unterstützung aus der zweiten Reihe.
Vor allem aber führt das Konzert mit seinem Best-of-Programm immer wieder vor Augen und Ohren, wie viele großartige Songs dieser Mann in seiner über fünfzig Jahre dauernden Karriere geschrieben hat. „Fire And Rain“ und „Carolina On My Mind“ zählen erwartungsgemäß zu den umjubelten Höhepunkten. In „Long Ago And Far Away“ wird es nostalgisch, wenn vom Band die Begleitstimme Joni Mitchells von der Originalaufnahme für das Album Mud Slide Slim von 1971 eingespielt wird. „Never Die Young“ transportiert Taylor gekonnt aus den Achtzigerjahren in die Gegenwart. Und selbst, wenn er sich in Richtung Softrock bewegt, ist da immer noch seine Gitarre, an der er sich nach wie vor souverän als Meister der Hammerings, Quartvorhalte und sofort wiedererkennbaren Begleitfiguren erweist. Wie er sich auch stimmlich mit seinen 74 Jahren in beneidenswert guter Form zeigt.
James Taylor sagt in seinen Ansagen wenig zu den Stücken, ihrem Hintergrund und ihrer Entstehung, vermutlich in der korrekten Annahme, dass der größte Teil des Publikums die Geschichten ohnehin kennt, da er sie oft genug erzählt hat. Umso mehr Zeit nimmt er sich in der Pause, um geduldig die zahllosen Autogramm- und Selfiewünsche zu erfüllen. Am Ende des Abends winkt er das Publikum zum Bühnenrand heran, wo beim Marvin-Gaye-Hit „How Sweet It Is (To Be Loved By You)“ eine Soulparty zum Mitsingen stattfindet. Vor der dritten und letzten Zugabe („You Can Close Your Eyes“, ohne das der Abend auch nicht rund gewesen wäre) lässt er die Fans schließlich noch kurz zappeln, fragt zweifelnd in die Seitenbühne, ob er denn eventuell noch ein weiteres Stück spielen könne, und bricht die Situation dann mit der augenzwinkernden Bemerkung: „Ich hoffe, das sah jetzt spontan aus.“ Sah es, James. Wir hätten dir nach dem Abend noch ganz andere Dinge geglaubt.
Es ist beeindruckend zu lesen, wie James Taylor mit seiner sympathischen Natürlichkeit und Authentizität das Publikum begeistert hat. Sein Auftritt in der Zeltphilharmonie mag vielleicht nicht der traditionelle Konzertsaal sein, aber die Atmosphäre und die Musik haben offensichtlich alle Herzen erwärmt.
Es erinnert mich daran, wie vielfältig die Konzertszene in Hamburg ist. Neben solch besonderen Veranstaltungen wie dieser gibt es auch viele andere großartige Konzerte aller Genres, die in dieser lebendigen Stadt stattfinden. Die Hamburger Musikszene ist wirklich etwas Besonderes!