Jimmy Kelly & The Street Orchestra

Nach knapp drei Jahren endlich wieder live auf der Bühne, Huxleys Neue Welt, Berlin, 7.6.2023

26. Juni 2023

Lesezeit: 3 Minute(n)

Ich bin Jimmy Kelly, das ist das Street Orchestra – und wir machen Folk.“ So begrüßt der 52-Jährige die knapp tausend Fans im Publikum des Berliner Clubs Huxleys Neue Welt. „Ja, ich weiß, in Deutschland ist es immer ein bisschen peinlich zu sagen: Ich mache Folk. In Irland dagegen rasten die Leute aus. Stellen wir uns also vor, wir wären in Westirland, und fangen noch einmal von vorne an!“
Text: Maria Nowotnick; Fotos: Claudia Pötzsch & Conny Günther

Humor ist ein Faktor, der an diesem Abend alles andere als zu kurz kommt – ganz im Gegenteil. Jimmy Kelly erweist sich nebst seinem musikalischen Gespür und unbestreitbaren Talent auch als wunderbarer Entertainer. Keine der Anekdoten wirkt albern, keiner der Gags fehlplatziert. Aber fangen wir beim Musikalischen an.

Die Kelly Family war immer schon dem Folk zugewandt, nun scheinen die einzelnen Mitglieder sich dennoch jeweils endlich dem Genre widmen zu können, dem sie früher schon am meisten verbunden waren. Jetzt, wo kein Oberhaupt mehr den Ton angibt, die Chartplatzierung nicht mehr alles bedeutet. Jimmy Kelly hat sich nach Auflösung der berühmten Familienband (Anfang der Nullerjahre) wieder auf Straßenmusik verlegt – back to the roots, back on the street sozusagen. Dort hat er auch einige der Mitglieder seiner aktuellen Band kennengelernt und seit 2010 immer wieder mit diesen getourt.

 

Seitdem sind einige (Live-)Aufnahmen auch auf CD und DVD erschienen, das Allerbeste ist aber natürlich, die Truppe live zu erleben. Und das durften die Fans nach knapp drei Jahren Wartezeit endlich wieder, Kelly bedankt sich gleich am Anfang dafür und legt sofort los: „Are you guys ready to have a party?“, fragt er mehrmals und bringt die Stimmung direkt zum Kochen.

Sein zwölfköpfiges Street Orchestra ist beeindruckend, es finden sich traditionelle Folkinstrumente von Fiddle bis Mandoline darunter, auch Akkordeon, Viola, Banjo, Gitarre, Tuba, Marimbafon, Schlagzeug, Kontrabass, Trompete, Klarinette, Posaune und, und, und – selbst Stepptanz wird als musikalische Einlage genutzt. Immer wieder gibt es Soli der einzelnen Beteiligten, nie sind sie zu viel des Guten.

 

In fast drei Stunden Programm gibt es charakterstarken Akustiksound und handgemachte Rock-/Pop-/Folkmusik in großer stilistischer Bandbreite zu hören. Tanzbare Balkan-Klezmer-Einflüsse, Bluegrass, irische Klänge, spanischer Folk und französische Chansons – die Musiker und Musikerinnen bringen all das in beeindruckender Klangpracht meisterhaft auf den Punkt. Natürlich darf auch der ein oder andere Kelly-Song nicht fehlen, obwohl das vielleicht gar nicht nötig wäre – sicher sind eingefleischte Fans im Publikum, aber eben auch ganz andere Menschen: Fans von Folk, Fans der sprühenden Energie, die sich sofort aufs Publikum überträgt, Fans vom Jimmy Kellys Street Orchestra.

Und doch klingen „Lord Can You Hear My Prayer oder „Nanana in diesem einzigartigen Gewand gleich noch mal ganz anders – authentischer irgendwie, einfach folkiger. Zu hören gibt es auch traditionelle amerikanische Lieder, die Vater Dan beim Kochen oder Duschen pfiff, deutsches Liedgut („Heute hier, morgen dort“) oder das „originale“ „Cotton Eye Joe mit einer strahlenden und hüpfenden Violinistin, sodass man selbst einfach nur mitmachen kann. „You Can Hold My Hand Little Sister“, singt Kelly dann für seine verstorbene Schwester Barby. Das Publikum ist – wie er selbst – sichtlich gerührt.

 

Aber zack geht es danach mit der feurigen Stimmung weiter, die sich konstant den ganzen Abend über hält. Niemand scheint müde zu werden, am wenigsten die, die auf der Bühne stehen. Es ist das letzte Konzert der Tour, und so schwingt Wehmut mit – das sei nicht bei jeder Tour so, und lange habe er nicht so viel Spaß gehabt wie auf dieser, fügt Kelly an –, aber auch das Gefühl, dass dieser Abend am liebsten niemals enden sollte.

„Wir sind doch alle Brüder“, leitet der gekonnt durch den Abend moderierende Bandleader dann eines der letzten und eines der selbst geschriebenen Lieder ein – mit einfachem Text und wichtiger Botschaft, gerade in diesen Zeiten. „Gracias A La Vida soll dann wirklich krönender Abschluss sein, nach und nach verlassen die Musiker schweren Herzens die Bühne, um in Teilen doch wieder zurückzukommen. Dann spazieren auf einmal die Bläser musizierend durchs Publikum, und es wird wieder eingestimmt – eine große Party ist dieser Abend definitiv, vor allem für die Interpreten und Interpretinnen selbst.

 

Der ein oder andere Ohrwurm bleibt im Kopf, als es beschwingt von diesem denkwürdigen Konzert der Extraklasse nach Hause geht – einige Fans lassen den Abend gemeinsam und immer noch singend ausklingen. Hoffentlich müssen sie nun nicht wieder drei Jahre warten!

www.jimmykelly.de

www.youtube.com/@JimmyKellyChannel

www.huxleysneuewelt.com

 

Die Besetzung der Tour:

Selim Aydin – Posaune

Silke Büscherhoff – Schlagzeug

Daniel Damen – Saxofon, Klarinette

Bärbel Ehlert – Geige

Ralf D. Gscheidle – Akkordeon

Phillip Keck – Gitarre, Banjo, Dobro, Backing Vocals

Jimmy Kelly – Gesang, Gitarre

Meike Kelly – Gesang

Joon Laukamp – Mandoline, Geige, Backing Vocals

Darnita Rogers – Backing Vocals

Kirk Rogers – Keyboard, Orgel

Matthias Schwengler – Trompete

Johannes Vos – Bass

1 Kommentar

  1. Huxleys Neue Welt bietet viele gute Konzerte!

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