Ob das Datum des irischen Nationalfeiertages, des St. Patrick’s Day, den Menschen im rheinischen Troisdorf immer bewusst ist? Impresario Petr Pandula tat in diesem Jahr jedenfalls sein Bestes dafür, dass man diese Frage mit Ja beantworten kann, tagte sein Irish Heartbeat Festival – das ehemalige St. Patrick’s Day Celebration Festival – heuer doch genau an diesem Tag in der Troisdorfer Stadthalle.
Text und Fotos: Michael A. Schmiedel
Den Führungswechsel 2024 beim Mitwettbewerber Irish Spring Festival – das viele Jahre dort gastiert hatte – nutzend, fand das Irish Heartbeat nun schon zum zweiten Mal an Ort und Stelle statt, wobei Pandula sich sogar über gewachsenen Zuspruch freuen konnte. Bei seiner Anmoderation in seinem grünen, mit Kleeblättern übersäten Anzug, stellte er fest, die Welt in den 36 Jahren, in denen er mit dem Festival unterwegs sei, noch nie in einem so traurigen Zustand erlebt zu haben, in welchem die Nationen sich so feindselig gegeneinander verhielten. Aber dass es möglich sei, in Deutschland den irischen Nationalfeiertag zu feiern, sei doch „ein Zeichen, dass es auf dieser Welt auch anders geht. Und deshalb wollen wir in diesem Spirit weiter touren!“
Drei Bands waren es wieder, die einander ablösend und am Schluss zusammenspielend den Abend bestritten. Den Anfang machten Cua aus dem irischen County Laois, bestehend aus John Davidson (Gesang, Geige), Shane Booth (Gesang, Gitarre) und Ros O’Meara (Gesang, Bouzouki, Gitarre), Letzterer übrigens aus Schottland. Ihre Musik überraschte durch viele Stile, die einander umschlangen und durchdrangen – von rustikalen Arbeitsliedern und Einlagen, die an Country erinnerten, über Songs, die von den Beatles hätten sein können bis zu einem bisweilen sehr schrägen, geradezu jazzigen Geigenspiel, das an Hölderlin Express erinnerte oder aber, wie im Stück „Black Dog“, an ungarische Musik. Vor allem aber war es der mehrstimmige Gesang aus kräftigen Männerkehlen, der wohl als Hauptmarkenzeichen gelten konnte. Allerdings scheinen die drei bisweilen sehr verliebt in den Refrain zu sein, sodass man etwas mehr Text vermissen mochte, zum Beispiel bei der häufigen Wiederholung von „lit my soul on the way to the fire“, was sich aber dennoch gut anhörte und zum Mitsingen animierte.
Stärker, aber nicht nur instrumental orientiert, traten die Nordiren von Réalta auf mit Myles McCormack (Mandoline, Gitarre, Gesang), Conor Lamb und Loïc Bléjean (je Uilleann Pipes, Low und Tin Whistle), Dermot Moynagh (Bódhran) und Deirdre Galway (Gitarre, Gesang). War letztere die einzige Frau der Show, so war Bléjean der einzige Bretone, dessen Beteiligung von Pandula eigens betont wurde, was die am Ende nicht erfüllte Erwartung weckte, das auch der Musik anzumerken. Indes hörte sich diese weitgehend typisch irisch an, nur die eine oder andere auf den Pipes gespielte Tune erinnerte an Bands wie Hot Griselda, zwar nicht aus der Bretagne, sondern aus Belgien und den Niederlanden, aber immerhin aus der kontinentalen Bal-Folk-Szene. Wie dem auch sei, was die fünf Mitglieder von Réalta boten, war bester, zugleich moderner als auch traditioneller Irish Folk in feinster High-End-Qualität. Die Reels schnurrten nur so dahin, die Lieder umschmeichelten die Seele der Zuhörenden. Eine besondere Einlage war auch die Illustrierung des Songs „The Wind That Shakes The Barley“ durch eine Rollbilddarstellung der im Text transportierten Geschichte um Krieg, Verlust und Trauer. Conor Lamb trug es mit ganz zarter Stimme vor, während Deidre Galways Gesang – zum Beispiel im von einer Reise durch Colorado inspirierten „The Red Rock“ – kräftiger klang.
Bei der Ansage der dritten Band mutmaßte Pandula, vor 36 Jahren seien alle im Saal Punks gewesen, genau wie die Musiker der Outcast Crew, bestehend aus David Harte (Banjo, Gesang), Brian O’Mahoney (Gitarre, Gesang), Paul Flynn (Schlagzeug), Finn O’Mahoney (E-Bass), dem Sohn Brian O’Mahoneys, sowie Cua-Fiddler John Davidson, der auch hier aktiv ist. The Outcast Crew stammen ebenfalls aus den irischen Midlands, ohne jeden Zugang zur Küste, wie sie nach dem Konzert im Gespräch mit dem folker betonten. Und sie gelten als echte Punks aus der irischen Arbeiterklasse, ihre Musik somit als authentisch und nicht als Imitation oder Edelpunk. Sie treten normalerweise auch nur in ihrer Heimatregion auf und waren erstmals auf internationaler Tour.
Wenn sie so in „Rovin’ Again“ dem Ende 2023 verstorbenen Shane McGowan von den Pogues die Ehre erwiesen (siehe auch Nachruf hier, dann als einem der Ihren. Schlagzeug und E-Bass untermalten das Punkige noch, aber alleine schon Gesang und Geige produzierten einen deftigen, mindestens folkrockigen Sound oder eben Folkpunk, wenn auch nicht so wild wie der der Pogues. Nun, die Outcaster sind auch nicht mehr die Jüngsten, bis auf den Bassisten in seinem grünen Sport-T-Shirt. Und Davidson ließ seine Geige noch mehr jaulen als bei Cua, wobei man dennoch eine Passage aus Vivaldis Die vier Jahreszeiten erkennen konnte.
Hatte The Outcast Crew mit „Mountain Dew“ schon einen Klassiker der Dubliners im Programm, so setzten alle Musiker und die Musikerin des Abends in der abschließenden Festivalsession mit „The Irish Rover“ diesen Trend fort, gefolgt von dem Reelset „The Guns Of The Magnificant Seven“ und dann „Whiskey In The Jar“ in der Version Thin Lizzys.
Gerne hätte der folker wie im letzten Jahr auch wieder die Irish-Spring-Festivaltour besucht und dem Irish Heartbeat Festival zur Seite gestellt, doch eine Baustelle der Bahn und ein unkalkulierbarer Schienenersatzverkehr vereitelten das Unterfangen. Hoffen wir also auf nächstes Jahr!
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