Ganz traditionell beginnt Sona Jobarteh ihr Konzert in der Kölner Philharmonie – wie viele andere und auch das vor gut vier Jahren an gleicher Stelle – mit „Jarabi“ dem ersten Stück ihres 2011 erschienenen Debütalbums Fasiya. Das beliebte Liebeslied aus ihrer westafrikanischen Heimat aus den Sechzigerjahren ist durchdrungen von Botschaften und Metaphern, die von Hoffnung und Entschlossenheit erzählen. Jobarteh singt in Mandinka, einer Sprache, die nicht nur in Gambia, dem Land ihrer Vorfahren, sondern auch in den benachbarten Staaten Westafrikas verstanden wird.
Text: Christoph Schumacher
Nach einer freundlichen Begrüßung fordert sie das Publikum sogleich auf, mit ihr in den Refrain einzustimmen, und die ausverkaufte Kölner Philharmonie verwandelt sich in eine riesige Chorgemeinschaft. Das zweite Lied, „Mamamuso“, widmet die erste professionelle Koravirtuosin, die aus einer traditionellen Griotfamilie stammt, ihrer Mutter. Bereits ihr Großvater Amadu Bansang Jobarteh war Meister der 21-saitigen Stegharfe in Gambia und seines Zeichens Onkel des Musikers Sidiki Diabaté, der wiederum Vater des bekannten malischen Musikers Toumani Diabaté war, der ebenfalls ein Meister an der Kora ist (und somit der Cousin Sona Jobartehs).
Sona Jobartehs Musik ist ein einzigartiger Spagat zwischen der Bewahrung ihres reichen kulturellen Erbes und einem zugänglichen, modernen Stil, der sich bewusst allen Schubladen entziehen möchte. Zum anschließenden, allen Frauen und Müttern gewidmeten Song „Musolou“ lädt sie ihren mittlerweile sechzehnjährigen Sohn, der ebenfalls Sidiki heißt, ein, die Band am Balafon zu unterstützen. Nicht ohne Stolz erzählt sie, dass er vor acht Jahren an der von ihr gegründeten Gambia Academy mit seinen musikalischen Studien begonnen hat.
In ihrer vorzüglich frisch und entspannt aufspielenden Band musizieren Eric Appapoulay an der Gitarre, Andi McLean am Bass, Mamadou Sarr an Kalebasse, Conga und Djembe und Yuval Juba Wetzler am Schlagzeug, die mehrheitlich anhand der Verbindung nach Großbritannien gewonnen werden konnten. Die in London geborene Jobarteh hat sowohl dort als auch in Gambia studiert und eine eigene Musiksprache entwickelt, die sie vorrangig nicht als eine Kunstform oder ein Genre interpretiert haben möchte. Vehement reklamiert sie in der Ansage zum Stück „Nna Kwango“ („Meine Stimme“) die Ehrlichkeit und Authentizität ihrer Musik und gleichzeitig die Schwierigkeit, dies in Worte zu fassen. Nach eigener Aussage handelt der Song davon, wer sie ist, welchen Platz sie in der Tradition einnimmt, dass sie eine eigene Stimme gefunden hat und durch die Musik ihre ganzen Erfahrungen und ihre Identität reflektiert. Die Anerkennung einer ihrer Lehrer kommt im Stück „Ballaké“ zum Ausdruck.
Elegant nutzt Sona Jobarteh die Überleitungen zwischen den Stücken zu kleinen Anekdoten über ihre Familie, nachdem sie sich vergewissert hat, dass ihr Englisch im Saal verstanden wird. Zum Abschluss feiert sie die Unabhängigkeit Gambias 1965 mit einem Lied, dessen Titel wie der Name ihres Heimatlandes lautet. Und auch wenn nur fünf oder sechs Landsleute auf ihre Nachfrage hin aufstehen, tanzt doch anschließend das ganze Publikum im Rhythmus der Musik und klatscht mit. Das passiert nicht wirklich häufig in der Kölner Philharmonie.
Hoch leben Gambia, die Musik, der Rhythmus und das Leben. Was für ein Fest! Die charismatische Multiinstrumentalistin, Sängerin und Komponistin, die in ihrem Spiel traditionelle Folklore, Blues und afrikanische Popmusik auf verblüffende Weise miteinander verbindet, kreiert bei ihrem Kölner Gastspiel eine geradezu euphorische Stimmung, die noch lange nachhallt.
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