Souad Massi

Sequana, Elbphilharmonie, Hamburg, 14.3.2025

26. Mai 2025

Lesezeit: 3 Minute(n)

Voilà! Zwei Konzerte in Deutschland und beide ausverkauft. Auch wenn Souad Massi ihre Lieder in Arabisch und (zuweilen) Französisch singt, ihre Musik wird hierzulande verstanden und geliebt. Im voll besetzten Großen Saal der Elbphilharmonie schlägt Massi einen weiten Bogen, und der reicht von den Liedern ihres aktuellen Albums Sequana bis zurück in die Anfänge ihrer Karriere.

Text: Gerd Döring; Fotos: Claudia Höhne/Elbphilharmonie

Von ihrem zweiten Album Deb singt sie das Titelstück, eine Ballade vom gebrochenen Herzen – sentimentale, aber auch nachdenkliche Verse, die einen nicht geringen Teil ihres Repertoires ausmachen. „Raoui“, von ihrem ersten Album aus dem Jahr 2002, trägt sie alleine zur Gitarre vor. Es ist die Zugabe nach einem eindringlichen wie umjubelten Konzert. Vom Märchenerzähler handeln die Strophen, die eine Welt beschwören, die sie in ihrer Kindheit lieben gelernt hat. „Erzähl uns, Geschichtenerzähler, / Sprich zu uns über die Menschen der alten Zeiten, / Erzähl uns, mach unsere Gegenwart vergessen …“ So beginnt die Ballade, und Souad Massi singt mit ihrer eindringlichen Stimme von der islamischen Tradition, aber auch vom Heute, vom Bürgerkrieg in ihrer Heimat Algerien, der auch ihr Leben beschädigt hat. Was sie verloren hat, klingt in ihren Liedern nach, die ihre Wurzeln haben im Chaâbi-Pop Algiers, aber auch in der klassischen arabisch-andalusischen Musik.

„Raoui“ war das erste Lied, das die Sängerin und Komponistin – damals noch wohnhaft in Algerien – schrieb. Massi ist in Bab El-Oued, einem Stadtteil Algiers geboren und mit traditioneller Musik aufgewachsen, aber auch mit westlichem Pop und Rock. Schon früh fing sie an Musik zu machen, spielte in einer Flamencoband und in einer durchaus erfolgreichen Hardrockband. Nach einer Einladung zum Festival Femmes d’Algérie blieb sie dann nach der Jahrtausendwende in Frankreich – zu Hause hätten religiöse Fanatiker ihrer Karriere wohl ein Ende bereitet.

 

Zum Konzert nach Hamburg ist die Sängerin mit einem agilen Quintett gekommen. Schlagzeuger Maamoun Dehane und Bassist Guy Nsangue sorgen für kräftigen Drive, wichtiger als die beiden routiniert aufspielenden Musiker aber ist Rabah Khalfa – ein langjähriger Weggefährte, der schon auf ihren ersten beiden Alben Darbouka und Tamburin spielte und im Konzert auch mal an zwei Bongos Latinklänge einflicht. Aber er setzt hier nicht nur rhythmische Akzente, sondern gibt auch mit markanter Stimme den Gegenpart im melancholische „Ghir Enta“. Den farbigen Hintergrund für Souad Massis Stimme liefern aber vor allem die beiden Musiker, die sie vorne auf der Bühne platziert hat. Maxime Barcelona erweist sich als versierter Gitarrist, der im Flamenco ebenso zu Hause ist wie in Wüstenrock und Americana. Im Coversong „Hurt“ (Nine Inch Nails/Johnny Cash), darf er dann so richtig in die Saiten greifen. Noch weiter ist das Spektrum, das der Geiger Mokrane Adlani abdeckt. Er kann klingen wie ein Jazzgeiger, mal swingend wie Stéphane Grappelli, zuweilen auch kantig wie Jean-Luc Ponty. Und er gibt gerne auch viel Sentiment und Pathos in die Lieder, die Souad Massi auf Französisch, meist aber Arabisch beziehungsweise im kabylischen Heimatdialekt singt.

Viele der Stücke des Abends stammen von Sequana, ihrem letzten, 2023 in Frankreich aufgenommenen Album. Mit „Dessine-moi Un Pays“ beginnt sie ihr Konzert. Es ist das erste Stück ihres aktuellen Albums‚ das sie unter dem Eindruck der aus Kabul flüchtenden Menschen geschrieben hat. Eines von vielen ihrer Lieder, in denen sie explizit Stellung bezieht gegen Diskriminierung, aber auch gegen das totalitäre Regime in Algerien. So auch in „Oumniya“, worin sie die triste Situation in der verlorenen Heimat besingt.

 

Mit ihrem Album El Mutakallimun hat sie den arabischen Dichtern und Denkern im mittelalterlichen Andalusien ein musikalisches Denkmal gesetzt. Poeten, die sich in ihren Texten für Toleranz und ein Miteinander der Religionen stark machten. „Die Medien liefern heutzutage ein sehr verzerrtes Bild der islamischen Welt. Ja, es gibt Kriege, ja, es gibt Gewalt und Unterdrückung. Aber die islamische Kultur bietet doch viel mehr: Sie ist vielfältig, enorm reichhaltig und beinhaltet eine Menge durchaus progressiver Strömungen, die im Westen einfach nicht wahrgenommen werden. Der Islam lässt sich nicht so einfach auf den Terrorismus reduzieren“, sagt sie in einem Interview – und schreibt mit demselben Impetus ihre Lieder.

Souad Massis Hamburg-Konzert ist über die Mediathek der Elbphilharmonie weiterhin abrufbar: www.elbphilharmonie.de/de/programm/souad-massi/21767.

www.souad-massi.com
www.elbphilharmonie.de

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