Pünktlich zum Jubiläum der Festivals auf Burg Waldeck hat Jürgen Heimbach seinen neuesten Krimi mit dem schlichten Titel Waldeck vorgelegt. Wie viele seiner Romane in den deutschen Nachkriegsjahrzehnten angesiedelt, knüpft dieser an die Ereignisse in Heimbachs 2020 mit dem Glauser-Preis ausgezeichneten Werk Die rote Hand an, indem er den dort in einer Nebenrolle auftretenden Journalisten Ferdinand Broich zur Hauptfigur macht. In Ungnade gefallen, wittert der eine Chance, sich zu rehabilitieren, indem er untergetauchten Nazis auf die Schliche kommt. Die Handlung spielt während einer einzigen Woche im Mai 1964. In mehreren parallel verlaufenden Strängen zeichnet Heimbach ein plastisches Sittengemälde der Sechziger mit seinen aufeinanderprallenden Weltanschauungen, Standpunkten, Altlasten zwischen Aufbruchsstimmung und Leugnen. Weitere wichtige Rollen kommen zwei jungen Frauen zu: Mine, einer Hunsrücker Bauerntochter, die den engen, patriarchalen Verhältnissen, in denen sie lebt, genauso entfliehen will wie Silvia, die Tochter eines angesehenen Münchner Zahnarztes. Und dann ist da noch der pensionierte BND-Mann Edgar Winter, der all diese Entwicklungen aufzuhalten versucht. Musik bildet dabei quasi den Soundtrack des Buches, wobei das erste Festival Chanson Folklore International auf Burg Waldeck der Punkt ist, an dem alles kulminiert. Zuvor scheint immer wieder die damalige Musikwelt zwischen Schlager, Beat und Gegenpolen wie Jazz oder Liedermacher durch – etwa bei einem Cliff-Richard-Konzert, Jukeboxes, aus denen „Junge komm bald wieder“ ertönt, oder Livegitarrenmusik im Club Voltaire. Dem Buch vorangestellt ist der bekannte Auszug aus Franz Josef Degenhardts „Die alten Lieder“, später „erklingen“ Auszüge aus der Eröffnungsrede des damaligen Festivals von Diethart Kerbs, Dieter Süverkrüp vermisst sein „Nationalgefühl“ und Fasia Jansen stimmt Wolf Biermanns „Ballade vom Briefträger William L. Moore“ an. Das alles liest sich gut, authentisch und spannend und vermag ganz nebenbei, wichtige Parallelen zur Gegenwart aufzuzeigen.
Stefan Backes
Jürgen Heimbach:
Waldeck / Kriminalroman. – Zürich : Unionsverlag, 2024. – 352 S.
ISBN 978-3-293-00607-2 – 19,00 EUR
Bezug: www.unionsverlag.com
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