„Wenn Menschen wie Bach die Welt regieren würden, gäbe es keinen Rassismus – und noch aus dem Grab heraus kämpft er darum, uns zu vereinen“, sagt der schwarze IT-Techniker Thabana Modine aus Soweto. Modine singt im Johannisburg-Bachchor, einem von über dreihundert Bachchören weltweit. Er bezeichnet sich als „Bach-Botschafter“. Im Grunde genommen gilt das für all die enthusiastischen Menschen, Profis wie Laien, die die Filmemacherin Anna Schmidt in Südafrika, Australien, Japan, Malaysia, den USA, Paraguay und in der Schweiz mit einfühlsamer Kamera begleitet hat. Dass sie sich im Sommer 2022 beim Bachfest in Leipzig zu einem gemeinsamen Konzert unter Leitung der Dirigentenlegende Ton Koopman treffen, ist bewegend. Noch eindrucksvoller ist ihre Verbundenheit im Geiste. Über die musikalische Leidenschaft hinaus wirkt Bachs Musik für alle lebensverändernd. Im Seelisch-Therapeutischen wie im Sozialen! „Bach ist keine Frage der Mode, sondern eine Frage der Notwendigkeit“, meint der paraguayische Singer/Songwriter David Portillo. „In Bachs Fugen ist jede Stimme einmal die Wichtigste, wird einmal gehört, bevor sie wieder im Gesamtklang verschwindet“, beschreibt es im Film die Lehrerin und Autorin Desiree Scheidegger, die sich ehrenamtlich im Berner Asylzentrum engagiert. So gesehen geht es um nichts weniger als um eine große, visionäre Antwort auf immer drängender werdende soziale Fragen, mit denen sich viele gute Geister beschäftigen, die auf dieser musikalisch-menschlichen Ebene bereits erlebbar ist. Bachs Musik ist christlich und gleichzeitig „religionsübergreifend“ (Abt des buddhistischen Toshungi-Tempels). Sie ist, wie immer wieder betont wird, zeitlos. Dieser Film ist ein Geschenk für unsere Zeit.

Jens-Peter Müller

Anna Schmidt:

Living Bach

(Weltkino Filmverleih)

Deutschland, 2023; 114:00