Unerhört! & Soundwatch

Musikfilmfestivals im Spätsommer/Herbst

8. August 2022

Lesezeit: 2 Minute(n)

An ihrem fünfzigsten Geburtstag besaß sie nichts. Das Dach ihres winzigen Hauses, in dem sie mit ihrer Mutter lebte, leckte, und der Fußboden hatte Löcher. Dabei war sie da schon seit dreißig Jahren als Sängerin unterwegs, aber eben hauptsächlich auf den Kapverdischen Inseln, ihrer Heimat. Der Film Cesária Évora hat diesen Geburtstagsmoment in ihrem Leben festgehalten, wie auch viele andere private Episoden, die ihr Manager und Impresario, der immer eine Kamera dabeihatte, filmte. So sind viele intime Begebenheiten in diesem Dokumentarfilm zusammengetragen, der mehr vom Leben Évoras erzählt als von ihrer Karriere. Er lässt sich ganz auf die Magie ihrer Stimme ein, die Präsenz ihres Vortrages und ihre zauberhafte Persönlichkeit, die gerne verschenkte und wenig für sich einforderte.

Zu sehen ist dieser ungewöhnliche Film auf dem Musikfilmfestival Unerhört!, das nach zwei Jahren Pandemie in diesem Jahr wieder mit Publikum stattfindet, und zwar vom 7. bis 10. September in Hamburg. Daneben ist auch die Dokumentation über die Embryo-Erbin Marja Burchard erwähnenswert, A Sound of My Own, in der erzählt wird, wie sie sich aus dem Erbe ihres Vaters hervorarbeitet und zu einer eigenen Identität mit einer eigenen musikalischen Stimme findet. Filmisch ganz anders gelagert ist Ask, Mark ve Ölüm – Liebe, D-Mark und Tod, ein Film über die Musik der türkischen Gastarbeiter, die sich seit den frühen Sechzigern in den Ländern der alten Bundesrepublik entwickelte. Es ist folkloristische Musik, die sich den westlichen Hörgewohnheiten entzieht. Vergessen sind deren Erfinder und Interpreten, die Doku zerrt sie noch einmal aus dem Dunkel der Verdrängung hervor. Eine ähnliche Überraschung ist Leave the Door Open, der die Geschichte der Brüder Ertegun erzählt, die als Diplomatensöhne in Washington aufwuchsen und zu Jazzliebhabern wurden. Mit wenig Geld gründeten sie in den Vierzigern Atlantic Records und verhalfen damit gerade schwarzen Musikschaffenden zu einer Stimme in einer sehr weiß geprägten Welt. Im Zusammenhang des Frauenschwerpunkts in Heft #1.22 des folker interessant ist auch Sheryl, der Film über Sheryl Crow und ihre Karriere in einer von Männern dominierten Musikwelt. Immer wieder erfuhr sie Zensur und Gängelung, denn die äußeren Ansprüche, die an sie gelegt wurden, waren nicht ihre eigenen. Das machte es ihr oft schwer, ihre eigene Stimme zu finden.

Wer Unerhört! verpassen sollte: Einige der Filme laufen auch noch einmal beim Soundwatch Music Film Festival in Berlin vom 10. bis 17. Oktober.

Michael Freerix

unerhoert-filmfest.de

soundwatch.de

0 Kommentare

Einen Kommentar abschicken

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert

Dir hat der Artikel gefallen?

Dieser Artikel ist für Dich kostenlos. Wenn Du unsere Arbeit unterstützenswert findest, magst Du unserem Team vielleicht mit einem einmaligen Betrag oder mit einer regelmäßigen Spende über Steady supporten. Das Wichtigste ist: Danke, dass Ihr uns lest!"

Unterstütze uns einmalig mit Paypal (an unseren Verlag: Fortes Medien GmbH)

Werbung

L