Max Prosa

Perspektiven, die eine Gesellschaft aushalten muss

5. März 2023

Lesezeit: 5 Minute(n)

Als Max Prosa 2012 sein Debütalbum Die Phantasie wird siegen veröffentlichte, bebte für einen kurzen Moment der Boden der deutschen Liederszene. Von einem zweiten Bob Dylan war die Rede. Mit der Band von damals hat Prosa auch sein jüngstes Album Wann könnt ihr endlich friedlich sein aufgenommen. Geboren wurde er 1989 in Berlin als Max Podeschwig, mit einer Liebe zur Musik und zur Literatur. Auf seiner Website bietet er unter anderem ein Gedichtabo an, und vielleicht auch deshalb lud ihn Das lyrische Foyer in Hamburg Ende letzten Jahres zu einer Soirée ein. Vor dem Auftritt sprach er mit dem folker in einem Hamburger Café.
Text: Petra Rieß

Max Prosa fällt auf. Nicht nur wegen seiner bunt geringelten Strickjacke, die ihn in der traditionellen Konditorei wie einen Paradiesvogel wirken lässt. Es sind auch seine aufrechte Haltung und wache Ausstrahlung, obwohl er gerade mehrere Stunden mit dem Auto unterwegs war – von Fulda nach Hamburg. Später, im Lyrischen Foyer, wird der Musiker die Strickjacke gegen ein dunkles Jackett getauscht haben und sich ans Klavier setzen, mit Liedern zum Thema des Abends: „Erinnerung“.

Acht Alben hat der Berliner insgesamt schon veröffentlicht, und das ist nicht wenig in nur zehn Jahren. Max Prosa wäre nicht Max Prosa, wenn er darüber nicht schon selbst nachgedacht hätte. Ein Album sei wie ein Meilenstein, meint er, wichtig für den Künstler und die Kommunikation. Früher sei es auch ein wirtschaftliches Produkt gewesen. Das sei heute anders, weil sich die Musikwelt verändert habe, nicht nur wegen der Streamingdienste. „Da denke ich viel drüber nach und versuche, Sachen herauszubringen, die Sinn machen.“

Mit Konzerten, sagt er, habe man es leichter. Auch das sei für ihn ein Lernprozess gewesen in den vergangenen zehn Jahren. Heute verstehe er besser, wie man auf der Bühne einen Bogen spannen und das Publikum gezielt mitnehmen könne. „Damals war’s eher so, dass ich Musik gemacht habe, für die sich die Leute interessiert haben, und dann bin ich gekommen, und habe diese Musik gespielt. Mittlerweile geht es mir darum, diesen inhaltlichen Bogen zu spannen.“

Konzerte, findet er, seien einfach lange Zeit wie Frontalunterricht gewesen, wo vorne einer steht und die Bespaßung übernimmt. Auch da sieht er Notwendigkeit zur Veränderung. Gerade in dieser Zeit, wo die Menschen weiter lieber zu Hause bleiben – auf der während der Pandemie so vertraut gewordenen Couch –, sei es wichtig, ein anderes Erleben anzubieten. Durch die Lieder und auch die Geschichten, die er zwischendurch erzählt. „Ich nehme wahr, dass die Leute nicht mehr einfach irgendwohin gehen, wenn sie nicht genau wissen, dass sie mitgenommen werden oder was da kommt.“ Ein Konzert sollte wie eine gemeinsame Reise sein, findet Prosa, bei der auch das Publikum Energie in die Lieder „reinbringt“. „Das ist es auch, was mich an diesem Beruf interessiert. Was da alles geht, und die Momente, wenn es klappt und zusammen eine Energie entsteht. Diese Momente sind toll, und dafür mache ich das auch immer gerne weiter.“

„Es ist eine lebenslange Suche, wie und unter welchen Umständen die guten Lieder kommen.“

Mit seinen Texten will er den Leuten „eine andere Perspektive schenken“, wie zum Beispiel mit dem Lied „Buntes Papier“ vom Album Grüße aus der Flut (2020). Es soll uns daran erinnern, dass Geld nicht alles ist und wir ab und zu mal einen Schritt zurücktreten und die Dinge aus einem anderen Blickwinkel betrachten sollten. Will man keine Fließbandware produzieren, muss man auf der Suche nach einem guten Song manchmal durch lange dunkle Täler gehen. Das weiß auch Max Prosa. Bei ihm entsteht ein Songtext parallel zur Musik. Zunächst, sagt er, gäbe es einen Anfangspunkt, wie ein Webstück, ein Faden, dem man dann folgt und an dem man weiterstrickt. „Das ist eine lebenslange Suche, wie und unter welchen Umständen die guten Lieder kommen.“ Und zitiert Leonard Cohen: „Wenn ich wüsste, woher die guten Lieder kommen, würde ich öfter dorthin gehen.“

Seine Helden sind die Klassiker, und ganz oben stehen Bob Dylan und David Bowie. Sogar ein wenig Reinhard Mey. Seine Mutter hörte dessen Lieder, und Meys „Ich bin Klempner von Beruf“ oder Aller guten Dinge sind drei“ blieben im Gehirn des damals etwa Zehnjährigen hängen. Sein „Role Model“ wurde dann trotzdem Bob Dylan, dessen neues Buch er selbstverständlich schon gelesen hat. Im gefällt die Weisheit, die darin steckt, und wie
Bob Dylan über Musik schreibt, die nicht seine eigene ist.

Wie viele seiner Vorbilder textete Prosa anfangs auf Englisch, bis er merkte, „dass es eine schwierige Operation ist, so einen Text zu schreiben, und dass man dazu das feinste Werkzeug braucht, das man hat. Und das hat man eben nur in der Muttersprache.“ Oft schreibt er aus dem Moment heraus, dann, wenn es sich gerade richtig anfühlt. Er mag die Stille und zieht sich gerne mal zurück aus der lauten Welt. Dazu zählen für ihn auch soziale Medien wie Instagram. Eine Flut an Informationen verursacht eben auch Lärm.

Max Prosa

Foto: Sandra Ludewig

Die Lieder zu seinem aktuellen Album Wann könnt ihr endlich friedlich sein? entstanden schon, bevor der Krieg in der Ukraine begann. Max Prosa traut sich, mit diesem Titel und dem gleichnamigen Song, einen Imperativ zu formulieren. Manche fänden es naiv, wenn er davon singe, dass alle Menschen mit den gleichen Bedürfnissen auf die Welt kommen. Dass wir im Grunde alle nur von Frieden und Freundlichkeit umgeben sein wollen. Das heißt Lieder singen, lachen, Nähe spüren. So wie Kinder es tun. „Dabei ist das alles andere als naiv – es wird nur nicht gesehen. Ich fand, in diesem Ganzen war es das Beste, was ich machen kann. Diese Art von Ideen in die Welt zu werfen. Zu diesem Zeitpunkt.“ Das wirke fast antiquiert, gibt er zu, aber die Tatsachen würden nun mal etwas anderes sagen: Die Klimakatastrophe droht uns zu überrollen, während die Menschheit immer noch damit beschäftigt ist, sich in Konflikten zu verstricken und sich nicht wirklich um das Wohl des Planeten zu kümmern.

Worte von Max Prosa. Dafür dürfe man sich auch schon mal irgendwo drankleben, das müsse eine Gesellschaft aushalten, findet er.

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maxprosa.de

 

Aktuelles Album:

Wann könnt ihr endlich friedlich sein? (Prosa Records/Tonpool, 2022)

 

Videos:

Albumdoku zu Wann könnt ihr endlich friedlich sein: www.youtube.com/watch?v=h84vfRUMYsM

„Wann könnt ihr endlich friedlich sein?“: www.youtube.com/watch?v=HAKqogMx60c

„Buntes Papier“: www.youtube.com/watch?v=IpVoiCttPYg

Aufmacherfoto:

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