Im Titel dieses Buches fehlt ein entscheidendes Wort: „classical“. Es geht fast ausschließlich um die klassische Musikszene in Norwegen vor und während der Zeit der Besatzung durch deutsche Truppen 1940 bis 1945. Was natürlich auch interessant genug ist. Die klassische Musikszene war ziemlich international, zugleich aber stark nach Deutschland hin orientiert, weshalb mühelos zwischen deutscher Kultur und den deutschen Invasoren unterschieden wurde. Beethoven und Brahms waren fest in das norwegische Kulturrepertoire einbezogen, und Luthers „Ein feste Burg ist unser Gott“ wurde zu einer der Hymnen des norwegischen Widerstandes. Wir erfahren nicht viel über andere Lieder, die eine vergleichbare Funktion innehatten, aber eine Liste der in norwegischen Lagern inhaftierten Systemgegner verrät auch, wegen welcher Vergehen sie dort eingesperrt waren. Sehr oft, weil sie „deutschfeindliche Lieder“ gesungen hatten. Im Lager zusammengestellte Liederbücher enthalten norwegische Lieder (auf die im Buch leider nicht weiter eingegangen wird), aber fast immer sind die „Moorsoldaten“ dabei, ob auf Deutsch oder in einer norwegischen Fassung, ist unklar. Die Besatzer versuchten, das norwegische Musikleben zu unterwandern, hochkarätige Künstler aus Deutschland wurden auf Tournee geschickt, während norwegische Musikschaffende sich oft verweigerten oder nur insgeheim auftraten. Anhand von Partituren untersucht der Autor, wie durch musikalische Elemente sozusagen vor Ohren der Besatzer zum Widerstand aufgerufen wurde. Ein Exkurs zeigt, wie das norwegische Musikleben im Stockholmer Exil aussah, wo es immer wieder zu Berührungen mit nazifreundlichen Kollegen und Veranstaltenden kam. Alles hochinteressant und spannend erzählt, vieles lässt sich vermutlich auf die Volksmusikszene übertragen, störend sind allein die vielen Druckfehler.

Gabriele Haefs