Tänze keltischsprachiger Regionen

Ceilidh Dancing, Highland Dances, Sean-​Nós, Set Dances, Céilí Dances...

15. Januar 2025

Lesezeit: 6 Minute(n)

Reels, Jigs, Hornpipes, Strathspeys – ­ein Großteil der Musik aus Irland und Schottland ist zum Tanzen gemacht. Neben den Shows à la Riverdance gibt es noch viel anderes zum Zuschauen und vor allem Selbsttanzen!

Text: Heike Fröhling und Jelena Haramis

Scottish Dance

Die schottische Tanzkultur ist sehr alt und vielfältig. Heute unterteilen sich die Gruppentänze in Scottish Country Dancing und Ceilidh Dancing und die Solotänze in Highland Dancing, Ladies Step und Scottish Step Dancing.

Scottish Country Dancing (SCD) ist wahrscheinlich die bekannteste Form des schottischen Tanzes. Es handelt sich um einen Gesellschaftstanz, der in Gruppen von Paaren getanzt wird. Diese Paare bilden Sets, in denen sie abwechselnd mit ihren Partnern und anderen Tänzern interagieren. SCD hat sich aus englischen und französischen Country Dances entwickelt und erlebte besonders im 18. und 19. Jahrhundert eine Blütezeit, als er vor allem in Edinburgh in den Ballhäusern der Oberschicht beliebt wurde. In einem Reisetagebuch findet sich folgende Beschreibung: „Der allgemeine Tanz hier [in Edinburgh] ist der Reel, der jene besondere Art von Schritten erfordert, um ihn richtig zu tanzen, von der niemand außer den Leuten vom Land eine Vorstellung hat. Die Ausdauer, die die schottischen Damen in diesen Reels an den Tag legen, ist nicht weniger erstaunlich als die Art und Weise, wie sie sich dem Tanzstil verschreiben und ihn allen anderen [Tänzen] vorziehen … Sobald eine dieser Melodien gespielt wird, die flüssiges Laudanum für meine Lebensgeister sind, springen sie auf, beseelt von neuem Leben, und man könnte meinen, sie seien von der Tarantel gestochen worden … Die jungen Leute in England betrachten das Tanzen bloß als angenehmen Vorwand, um zusammenzukommen. Die Schotten aber bewundern den Reel allein wegen seiner Vorzüge, und man kann wirklich sagen, dass sie um des Tanzens willen tanzen“ (Captain Edward Topham, Letters from Edinburgh, 1774–75).

Besonderheiten des SCD sind die Schritttechnik, eine Kombination der französischen ballettartigen Grundschritte und der eigenen Solotanztradition, sowie der Strathspey-Rhythmus, der seinen Ursprung in Schottland hat und den Rhythmus des gälischen Gesangs und des Dudelsacks nachahmt. Ein Meilenstein für den SCD war das Jahr 1923, in dem Jean Milligan und Ysobel Stewart die Royal Scottish Country Dance Society (RSCDS) gründeten. Sie sammelten Tänze und publizierten diese zusammen mit Anleitungen zu Schritttechnik und Figuren. Heute hat die RSCDS „Branches“ in fast jedem Land der Welt, ständig werden neue Tänze geschrieben, und die Society veröffentlicht immer noch jährlich ein Buch mit den besten neuen Tänzen.

Ceilidh Dancing ist eine eher informelle und gesellige Form des schottischen Tanzes, bei der die Schritttechnik keine Rolle spielt. Die Tänze sind einfach und werden angeleitet, sodass jeder auch ohne Tanzerfahrung mitmachen kann. Ceilidh-Tänze werden heute auf Hochzeiten, Festen und kulturellen Veranstaltungen in ganz Schottland getanzt.

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Das jährliche Big Burns Ceilidh im National Museum of Scotland in Edinburgh

Foto: Kenny Lam, Visit Scotland

Highland Dances sind Solotänze, deren Ursprünge im Dunkeln liegen, sie werden aber oft mit Kriegstänzen verbunden. So gibt es schon frühe Schilderungen, nach denen schottische Krieger vor oder nach der Schlacht über gekreuzte Schwerter tanzten. Ursprünglich von Männern ausgeübt, wurde die Schritttechnik ähnlich wie im Country Dance im 18. Jahrhundert durch den Einfluss von französischen Balletten komplizierter und der von Frauen getanzte Ladies Step kam hinzu. Ladies Step Dances sind nicht ganz so athletisch wie Highland Dances und wurden von vornehmen Damen bei Abendgesellschaften vorgeführt. Heute wird beides gleichermaßen von Männern und Frauen getanzt und findet als Leistungssport in Wettkämpfen statt, die oft bei Highland Games ausgetragen werden.

Scottish Step Dancing ist ebenfalls Solotanz und eng mit Irish Step und vor allem Sean-Nós Dancing verwandt. Hier steht der Rhythmus im Vordergrund. Von der wachsenden Popularität des Country und Highland Dancing im 19. Jahrhundert in den Hintergrund gedrängt, war Scottish Step in Schottland fast völlig verschwunden, wurde jedoch von Auswanderern in Kanada vor allem in Cape Breton und Nova Scotia lebendig gehalten. Ende des 20. Jahrhunderts wurde er von dort wieder nach Schottland „reimportiert“ und erlebt momentan eine regelrechte Renaissance.

Die Danceperados of Ireland bringen modernen irischen Tanz à la Riverdance auf die Bühne_

Foto: Gregor Eisenhuth

Irish Dance

Vor 1994 hätten die meisten Leute bei der Frage nach irischem Tanz mit den Schultern gezuckt, nach der Premiere von Riverdance beim damaligen Eurovision Song Contest hatte aber jeder ein Bild vor Augen: komplexe Rhythmen mit Hardshoes, viele Sprünge und Fußarbeit in Softshoes, und dabei werden Oberkörper und Arme stillgehalten. Den Ursprung sowohl der Solo Dances als auch der Paartänze findet man bei den Dancing Masters, die Mitte des 18. Jahrhunderts – ­oft von einem Musiker begleitet – ­von Ort zu Ort zogen und Tanzunterricht gaben. Die Gaelic League organisierte 1893 den ersten Tanzwettbewerb in Dublin. Aus diesen ersten Wettbewerben hat sich die moderne Version des irischen Tanzes entwickelt. Es gibt mehrere Tanzverbände, die lokale und nationale Wettbewerbe sowie Weltmeisterschaften ausrichten.

Während der moderne irische Tanz auf dem höchsten Level Leistungssport ist, geht es bei Sean-Nós („alter Stil“) etwas entspannter zu: Alles ist etwas bodenständiger, die Haltung nicht so rigide, die Schritte sind weniger raumgreifend. Ein altes Sprichwort sagt: „Ein guter Tänzer kann auf einem Silbertablett tanzen, ein großartiger Tänzer auf einem Sixpence.“ Dafür werden die Tänzer aber mehr zu Musikern: Wie beim Tanzen mit Hardshoes geht es darum, mit „battering steps“ Rhythmen zu erzeugen. Beim Sean-Nós sind diese aber oft nicht festgelegt, sondern werden zur Musik improvisiert – ­die Tänzer folgen dabei der Melodie. Neben den Improvisationen gibt es auch vorgegebene Choreografien zu bestimmten Melodien wie zum Beispiel „The Priest And His Boots“ oder „Job Of Journeywork“.

Set Dances sind Paartänze für vier Paare in einer quadratischen Aufstellung. Diese Tänze haben sich aus den französischen Quadrillen entwickelt, die nach den napoleonischen Kriegen von den Soldaten mit nach Hause gebracht wurden. Ein Set Dance besteht aus einer Abfolge mehrerer kurzer Musikstücke, meist mit Pausen zwischen den Stücken. In den einzelnen Stücken wechseln sich verschiedene Figuren mit einem sogenannten Body (Refrain) ab. Neben den Grundschritten kann man auch hier Battering Steps einbauen, rhythmische Verzierungen, die dem Sean-Nós-Solotanz entnommen sind. Set Dances waren im 19. Jahrhundert äußerst beliebt bis zur Gründung der Gaelic League. In dem Bestreben, alle englischen Einflüsse auszumerzen, wurden diese Tänze auf Veranstaltungen verboten, und man bemühte sich um ein Revival der Céilí Dances. Heute sind sie aber wieder sehr populär, und es werden sogar neue Tänze geschrieben.

Bei Céilí Dances handelt es sich um Gruppen- beziehungsweise Paartänze mit denselben Wurzeln wie Scottish Country Dances – ­die Schritttechnik mag sich im Stil unterscheiden, aber bei den ältesten überlieferten Tänzen findet man dieselben Figuren. Wie bei SCD auch gibt es Tänze in Gassen, im Kreis und in anderen Aufstellungen. Die ersten Céilís wurden 1897 veranstaltet, 1902 wurde eine erste Sammlung an Tanzbeschreibungen veröffentlicht. Manche der Céilí-Tänze findet man heute vor allem bei Wettbewerben, aber einige der bekannteren wie zum Beispiel „The Siege Of Ennis“ oder „The Walls Of Limerick“ werden nach wie vor bei vielen Veranstaltungen zum Spaß getanzt.

Ceilí Dancing beim Belfast TradFest Weekend

Foto: Julie-Ann Rouquette, mit freundicher Genehmigung des Belfast TradFest

Abstecher nach Wales und in die Bretagne

Wales

Auch in Wales gibt es eine reiche Tanzkultur an Solo- und Gruppentänzen. Ähnlich wie in Schottland und Irland wurde diese lange unterdrückt, erlebte aber Anfang des 20. Jahrhunderts ein Revival. Bei den Solotänzen handelt es sich um Clog Dances, bei denen mithilfe von Schuhen mit Holzsohle der Rhythmus gesteppt wird. Wie beim Sean-Nós wird hierbei viel zur Musik improvisiert. Die Paartänze ähneln den einfachen Ceilidh Dances, daneben gibt es noch mit den Country Dances verwandte Gruppentänze. Daneben hat auch Morris Dancing eine lange Tradition in Wales.

Bretagne

Die Bretagne wird zwar zu den keltischen Regionen gezählt, ihre Tänze unterscheiden sich jedoch sehr von schottischen und irischen Tänzen. Der Schwerpunkt liegt hier auf Kreistänzen, die es in Schottland und Irland nicht (mehr) gibt, sich aber direkt auf mittelalterliche Branles zurückführen lassen. Die bretonische Tanzszene hat mit dem Revival des Fest Noz (Tanz- und Musikfestival) in den Fünfzigern einen großen Aufschwung erfahren, und bretonische Tänze sind auch weltweit in der Bal-Folk-Szene sehr beliebt.

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Aufmacher:
Highland Dancing bei den Highland Games in Braemar, Schottland

Foto: Kenny Lam, Visit Scotland

Weiterführende Links:

Zu den Autorinnen: Heike Fröhling und Jelena Haramis betreiben gemeinsam die Greenwood School of Irish Dancing in Bonn und unterrichten internationale, schottische und vor allem irische Tänze. Sie waren die ersten Deutschen, die die irische Tanzlehrerausbildung absolvierten.

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