Der Bretone Soig Sibéril war ein Ausnahmegitarrist, der seit Ende der Siebzigerjahre entscheidend zur Erneuerung der keltischen Musik der Bretagne beitrug, als Musiker und Komponist in unterschiedlichen Formationen, als Solointerpret und als geduldiger und gefragter Lehrer des musikalischen Nachwuchses im keltischen Teil Frankreichs. Dafür, mit der Gruppe Les Ours du Scorff, gewann er sogar einen Prix de l’Academie Charles Cros, den wichtigsten französischen Tonträgerpreis.
Sibéril wurde 1955 als Sohn eines bretonischen Vaters und einer marokkanischen Mutter in Paris geboren, wo er auch aufwuchs. Dieser Umstand ist für bretonische Verhältnisse nicht außergewöhnlich, zählt doch Paris zu den „größten bretonischen Städten“. Im Alter von achtzehn Jahren brachte er sich als Autodidakt das Gitarrenspiel bei, wobei sein Interesse zunächst dem Blues und dem amerikanischen Folk galt. Bald siedelte er jedoch in die Heimat seines Vaters über und traf dort auf die sich stark entwickelnde Folkbewegung, die seinerzeit durch das Phänomen Alan Stivell in ganz Europa bekannt wurde, und insbesondere auch auf die lebendige Tradition des Fest-noz, des bretonischen Musik- und Tanzfestes – seit 2012 UNESCO-Weltkulturerbe.
Ein Meilenstein in seiner musikalischen Entwicklung war das Erlernen der keltischen Gitarre, die durch die offene sogenannte DADGAD-Stimmung geprägt war. Sein unverwechselbarer eigener Stil wurde bald Grundlage seines Mitwirkens in unterschiedlichen Formationen. Ab 1980 spielte er zunächst im Quartett Kornog, bevor er das All-Star-Ensemble Gwerz mitgründete. Seine dortigen Bandkollegen Eric Marchand, Patrick Molard, Jacky Molard und Youenn Le Bihan gehörten damals zum Besten, was die bretonische Musikszene zu bieten hatte – in ihren visionären Arrangements waren sie ihrer Zeit weit voraus. Auch im neuen Jahrtausend bewies Sibéril eine ungeheure Schaffenskraft und nahm allein als Solokünstler insgesamt zwölf Alben auf.
Soig Sibéril war ein fröhlicher und geselliger Mensch, dem Leben zugewandt, wenn auch die lange Krankheit und der Tod seiner geliebten Frau Kidou im Jahr 2022 ihn ungeheuer belasteten. Eine besondere Gabe war sein mitreißendes und ansteckendes Lachen. Seine Familie, seine zahleichen Freunde und Kolleginnen sowie die ganze Musikszene der Bretagne werden ihn zutiefst vermissen. Kenavo, Soig!
Hans Martin Derow, An Erminig
Foto: Hans Martin Derow
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