„Nur wer den Arsch der Welt kennt, kennt sich aus mit Gefühl“ findet sich als Provinz-Bekenntnis in dem Song „Wenn es leuchtet“, der als Weihnachtslied das Jahr 2020 beschloss und nicht nur als Wilderei im „Last Christmas“ des Pop-Glitzerns gelten darf. Sondern einen Hinweis dafür liefert, wie es sich anfühlt, als Hillbilly geboren zu sein und als Globetrotter auf der grenzlosen Walz: „Irgendwann kommen alle heim.“
Man sei eine „Rock-Band, die keine Rock-Instrumente spielt“, meint die Akustik-Kapelle, die von Beginn an Abenteuerlust mit physischer Präsenz paarte und deren unbändige Spiellust auch immer eine gewisse Punk-Attitüde durchschimmern ließ. Sicher töne das nicht nach Berghain oder Techno-Club, aber in den eingefädelten Kombinationen sei das musikalische Ergebnis doch heutig und nicht von gestern.
Von der Neuen Volksmusik oder „Volxmusik“ habe man, gesteht Perkussionist und Schlagzeuger Johannes Sens, zu Beginn keine Ahnung gehabt. Learning by playing. „Wir fühlen uns dem Ganzen zugehörig und wohl in dieser Sparte. Wir sind aber definitiv Kosmopoliten und nicht eingegrenzt auf Bayern. Wir wollen international bestehen.“ Heute zählen nicht nur Herbert Pixner und Kabarettist Matthias Egersdörfer zu den erklärten Fans der Gruppe. Gankino Circus bildet den Kern einer aktuellen nordbayerischen Szene, die der Tümelei keine Chance gibt.
„Kärwa-Credibility“ hat David Saam aus Bamberg, der „Antistadl“-Kämpfer und Musikerneuerer (Kellerkommando, Kapelle Rohrfrei, Boxgalopp) den vier Energieerzeugern attestiert. Nur, dass bei dem Quartett die Kärwa nicht mehr im Dorf steht, sondern um die Welt zieht. Volksmusik ist auch immer die Weltmusik der anderen. Nun also Finnland als Frischebad und Inspirationsquelle.
Das Album soll dabei eher „eine ehrfürchtige Verneigung vor dem Land und seiner Musik“ werden. Neben Instrumentals wird es auch Songs auf Finnisch geben, denn Maximilian Eder, der auch das Projekt forcierte, spricht „leidlich“ diese für Deutsche komplizierte Sprache. Ernsthaft, seriös, schön – solche Attribute nennt man bei der Frage nach dem Wunschsound.
Die Live-Umsetzung von „Bei den Finnen“ erzählt „die Geschichte der vier Herren aus Dietenhofen und ihre Begegnungen mit Finnen“. Dass der Erfahrungsbericht „auch lustig“ werden könnte, lässt die bisherige Entwicklung vermuten, verwegene Anekdoten und schräge Typen gehörten bei Gankino Circus schon immer zum Programm. Ein rotes finnisches Kanu wird Johannes Sens als Schlagzeug dienen. Schön, wie diese Franken spinnen.
Wenn sie es denn 2021 wieder dürfen. Nur ein Drittel der geplanten Auftritte konnte Gankino Circus im Krisenjahr 2020 spielen und der Unmut über den „unfairen“ Umgang mit der brachliegenden Kulturszene ist bei Simon Schorndanner deutlich herauszuhören, wenn er sagt: „Da bricht die komplette Infrastruktur ein. Unser Problem ist die Kleinteiligkeit. Wir sind eben nicht die Lufthansa, die Pleite geht. Das erfordert halt Mühe, hier eine Lösung zu finden. Es verfestigt sich der Eindruck: Immer der am lautesten schreit, bekommt als erstes die Suppe. Die Kulturbranche müsste sich stärker bemerkbar machen. Öffentliche Selbstverbrennung würde helfen. Das hat Mario Barth vorgeschlagen.“ Zur Sicherheit und als Warnung sei angemerkt: Mario Barth ist Comedian!
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