Seit der Gründung 2003 existiert das Quartett Sväng in unveränderter Besetzung. Einen ganz eigenen musikalischen Kosmos haben die vier Finnen erschaffen, und das bezieht sich nicht nur auf den Klang der vier verschiedenen Mundharmonikas, sondern auch darauf, was man damit machen kann – und was man vermeintlich nicht damit machen kann. Das nämlich machen Sväng trotzdem: Polka und Balkan, Tango und Sibelius, Ragtime und eigenes. Für diese Finnen ist nichts unmöglich, mit atemberaubender Virtuosität pflügen sie sich durch einen unglaublichen Stilmix.
Text: Tim Jonathan Kleinecke
Für ihr neues Album haben sich Sväng auf ihre Anfänge besonnen und spielen auf In Trad We Trust ausschließlich traditionelle Stücke aus dem großen finnischen Volksmusikliederbuch. Sie machen natürlich auch hier vor nichts Halt: Jouko Kyhälä, Eero Grundström, Eero Turkka und Pasi Leino bedienen sich karelischer Runengesänge ebenso wie der westfinnischen Pelimanni-Spielweise. Polska, Quadrille und Walzer werden ebenso zu Sväng-Sound wie ein altes Romalied. Nicht einmal vor scheinbar abgedroschenen Klassikern schrecken sie zurück: „Kirkonkellot Ja Maanitus“ entwickelt sich zu einem grandiosen Schwurbel, und „Peltoniemen Hintriikin Surumarssi“, der Trauermarsch für Hintrikki Peltoniemi, fasziniert auch in der Sväng-Version.
Tim Jonathan Kleinecke hatte Ende November 2020 die Gelegenheit, Sväng-Mastermind Jouko Kyhälä ein paar Fragen zu stellen – dieser ist übrigens der erste „Doktor“ der Mundharmonika.
Wenn man die gesamten Sväng-Alben betrachtet, fällt auf, dass es sehr viel verschiedene Musik und viele Stile gibt, dass auf der einen Seite eine ganze Menge Eigenkompositionen stehen, und auf der anderen Stücke aus ganz unterschiedlichen sonstigen Quellen. Wie kam es zur Konzentration nun auf traditionelle finnische Musik?
Wir hatten immer traditionelle Stücke in unserem Repertoire, aus Finnland und Skandinavien, aber auch aus Balkanregionen, und gerade diese wurden im Laufe der Jahre zu Favoriten in unseren Konzerten. Wir haben immer schon selbst komponiert, aber über die Jahre auch versucht, die Band mit verschiedenen Themen in neue Richtungen zu führen – Sibelius, Chopin, finnischer Tango. Und jetzt hatten wir eben den Drang, uns ausschließlich mit traditioneller finnischer Musik zu beschäftigen. Wir alle haben eine tiefe Verbindung zur finnischen Musiktradition, die beiden Eeros und ich haben auch an der Sibelius-Akademie Volksmusik studiert. Darüber hinaus haben wir alle ein großes Interesse an Volksmusiktraditionen der ganzen Welt. Hier aber wollten wir unseren Zuhörern zudem die gesamte Bandbreite der finnischen Volksmusik präsentieren – nicht nur weltweit, sondern auch in unserer finnischen Heimat ist nicht allen Menschen bewusst, wie unterschiedlich, wie abwechslungsreich die traditionelle finnische Musik ist. Und das wollten wir mit diesem Album untermauern.
Foto: Agris Prieditis
Von Beginn an waren die Arrangements eurer Stücke faszinierend, weil auch immer überraschend. Wie ist der Arbeitsprozess, wie ist die Herangehensweise, wenn einer von euch eine neue Komposition anbringt?
Üblicherweise bringt der Komponist gleich auch ein ausnotiertes Arrangement mit, sodass klar ist, wer wann was spielt. Aber das kann sich auch im Laufe der Proben und Zeit ändern.
Hattet ihr schon einmal die Idee, mit anderen Musikern zusammenzuarbeiten, zum Beispiel mit einer Rhythmusgruppe?
Wir haben das schon x-mal in Betracht gezogen, aber der eigenständige Klang von Sväng beruht tatsächlich auf der Reduzierung auf vier Harmonikas – alles, von Rhythmus über Harmonien und Melodie kommt ausschließlich von den Harmonikas. Für uns ist das sehr spannend, alle musikalischen Elemente auf diese Weise herauszuholen. Meine Harmonetta zum Beispiel fungiert als Schlagzeug und Rhythmusgitarre. Im Grunde möchten wir Sväng als Quartett belassen, andererseits haben wir aber auch schon mit einem Sinfonieorchester gespielt …
Wie wäre es denn mit … – lass mich mal vorschlagen – Iiro Rantala, Marzi Nyman oder Anna-Mari Kähärä?
Wir haben tatsächlich schon mal mit Anna-Mari Kähärä gearbeitet, mit einem Frauenchor und einem Männerchor. Und auch mal mit einem türkischen Sinfonieorchester. Leider wurden diese Kooperationen nicht aufgenommen.
Sväng 2020
Foto: Jimmy Träskilen
Und wie wäre es mit Gesang?
Bei der Kooperation mit Anna-Mari Kähärä war viel Gesang dabei.
Dann noch ein Vorschlag: die (unter anderem Tango-)Sängerin Yona?
Oh, sorry, die kenne ich gar nicht! Und ich wette, sie kennt Sväng auch nicht.
Was waren denn eure musikalischen Haupteinflüsse, als ihr eure Karriere begonnen habt?
Ich wuchs in den Siebzigern und Achtzigern mit Suomi Rock auf, also Rock mit einer starken Identität und auch mit finnischen Texten, kaum Coversongs. Herr Grundström wurde mit klassischer Musik groß, hat aber auch viel Metal und Jazz gehört. Herr Turkka ist seit Jahrzehnten ein Bluesmann! Er hat aber auch eine starke Affinität zu Romamusik und ist ein Meister des Obertongesangs und ähnlich abgedrehter Stile. Herr Leino war immer ein musikalisches Chamäleon und hat in allen möglichen Bands und Tanzformationen gespielt. Er sagt immer, er ist kein Musiker, sondern Bassist.
Und welche ist eure Lieblings-Sväng-CD?
Mein persönlicher Favorit wechselt von Zeit zu Zeit, natürlich mit der Tendenz zur jeweils letzten. Aber in letzter Zeit mag ich Karja-La sehr gern. Darauf sind starke Kompositionen aller Bandmitglieder, und es kommen auch alle Stile vor. Mal sehen, vielleicht wird das nächste Sväng-Album ja wieder eine mit ausschließlich Eigenkompositionen – lassen wir uns überraschen!
Mit dem größten Vergnügen! Und bis dahin erfreuen wir uns an der sehr gelungenen In Trad We Trust! Vielen Dank für das Interview!
Aufmacherfoto:
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