Das niederländische Dorf Grolloo, vierzig Minuten hinter der deutschen Grenze gelegen, hat weniger als 700 Einwohner. Zehnmal so viele werden es, wenn einmal im Jahr an einem Wochenende Ende Juni Bluesfans aus den Niederlanden und angrenzenden Ländern dorthin strömen. Für das 2016 gegründete Holland International Blues Festival (HIBF) wird auf einer Wiese im Ortskern ein riesiges Zelt mit einer imposanten Bühne aufgebaut. Unter diesem Dach spielten in den vergangenen Jahren unter anderem ZZ Top, John Fogerty, Buddy Guy, Jeff Beck, Walter Trout, Joe Bonamassa.
In diesem Jahr sind Robert Cray, Bonnie Raitt, Melissa Etheridge und Seasick Steve die abendlichen Headliner. Doch gerade die weniger bekannten Acts lohnen den Besuch. Das kundig zusammengestellte Programm beginnt bereits nachmittags und bietet durchgängig hohe Qualität. Das Organisationsteam präsentiert dort teils weniger bekannte, durchweg exquisite Bands, wobei die stilistischen Grenzen nicht puristisch eng gesteckt sind. Early James beispielweise, der am Freitag auf der Zeltbühne stehen wird, ist in verrauchten Bluesclubs ebenso zu Hause wie beim Newport Folk Festival. Margo Price entstammt Nashvilles Countryszene und ist eine scharfe Trump-Kritikerin. Den psychedelisch angehauchten souligen Bluesrock der Westcoast-Bands der Sechziger und Siebziger pflegen die in Brighton ansässigen The Heavy Heavy. „Heavy“ passt als Stichwort auch auf die Musik der Bluesrocker Kaleo, ursprünglich aus Island, jetzt in Austin zu Hause. Ein Vertreter des Südstaatenblues mit deutlichem Souleinschlag ist Robert Finley. Der 35 Jahre jüngere Jerron „Blind Boy“ Paxton verlor sein Augenlicht mit sechzehn, ließ sich davon aber nicht von seinem Wunsch abbringen, Musiker zu werden. Er ist zudem ein profunder Kenner (nicht nur) der US-amerikanischen Musikhistorie.
Das unweit der deutschen Grenze gelegene Grolloo wurde nicht zufällig zum Treffpunkt der Bluesgemeinde. Der niederländische Bluesmusiker Harry Muskee (1941–2011) lebte hier nur einen Steinwurf vom heutigen Festivalgelände entfernt zeitweilig in einer Kate, die seiner Band Cuby & the Blizzards gleichzeitig als Proberaum diente. Eine PR-Aktion brachte 1967 John Mayall nach Grolloo, Van Morrison unternahm mit den Blizzards eine Kurztournee. Heute ist der Kotten ein liebevoll geführtes Museum, eine informative Ausstellung nicht nur für Bluesfans. Im Garten steht eine Statue Muskees, im Dorf verteilt sind großformatige Plakatwände mit Fotos, die das Leben und Wirken des Musikers dokumentieren. In diesem Jahr fungiert die Harry Muskee Blues Heritage erstmals als Hauptsponsor in der erklärten Absicht, die niederländische Bluestradition zu wahren.
Das Festival ist sehr gut organisiert, viele Freiwillige unterstützen die Veranstaltung, die 2025 am 20. und 21. Juni stattfindet, mit großem Engagement. Das beginnt schon bei der Anfahrt. Besuchende werden zu den Parkplätzen auf den eigens frei gehaltenen Wiesen geleitet und eingewiesen. Selbst spät nachts stehen Freiwillige bereit, die den abfließenden Verkehr regeln. Für Camper wird ein entsprechendes Gelände bereitgehalten. Langjährige Gäste berichten, dass es dort oft nach Ende des regulären Programms noch zu fantastischen Jamsessions kommt.
Kleiner Tipp zum Schluss: Die ausschließlich digital erhältlichen Tickets, die am Einlass über die App des Anbieters Ticketmaster aufgerufen werden müssen (und nicht als Ausdruck akzeptiert werden), sollten am besten vorab abgerufen werden, da vor Ort nicht immer die beste Funkverbindung besteht.
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