Madâme Dodo: Die Chamäleondame – Annäherung an einen Paradiesvogel heißt das im Eigenverlag herausgegebene Buch von Dodo Hug. Es zeigt in Wort und Bild eine Schweizer Künstlerin mit unglaublich vielen Facetten – als Musikerin, Schauspielerin und Kabarettistin. Ein Chamäleon eben, das seine Farben wechselt, diese seiner Umgebung anpasst, aber dabei Eigenständigkeit, Ecken und Kanten bewahrt. So ist es nicht einfach, das Schaffen von Dodo Hug zu schubladisieren. „Für Musiker bin ich noch heute eine Schauspielerin. Schauspieler betrachten mich als Musikerin“, sagt sie dazu.
Text: Martin Steiner
Dodo Hug gilt als die Grande Dame der Schweizer Kleinkunst. Es gibt wohl kaum ein Kleintheater im Land, in dem sie noch nicht aufgetreten ist. Auch außerhalb der Schweiz wurde man auf die „Chamäleondame“ aufmerksam. 1985 erhielt sie mit ihrer Formation Mad Dodo den Salzburger Stier. 1992 folgte der Deutsche Kleinkunstpreis. Live war sie im deutschsprachigen Ausland, in Frankreich und Italien aktiv. Als Konstantin Wecker 2012 den Liederpreis der Liederbestenliste gewann, eröffneten Dodo Hug und ihr Partner Efisio Contini den Konzertabend. Im selben Jahr spielten sie auch auf dem Liederfest der Burg Waldeck, wo die in Bern geborene Musikerin Wenzel kennenlernte. Der Liedermacher beeindruckte sie tief. „Allerdings könnte ich Sachen wie sein ‚Sie werden kommen‘, das politische Missstände direkt und knallhart anprangert, so nicht singen“, gesteht sie. Doch auch ihre Lieder beinhalten Gesellschaftskritik. Alben wie Sorriso Amaro (2012) mit Klageliedern der Arbeiterinnen auf den Reisfeldern der Poebene und Liedern heutiger Cantautori oder Sorriso Clandestino – Working Songs And Maverick Ballads (2016) haben eine starke politische Aussage. Letzteres Album beinhaltet neben auf Italienisch auch auf Englisch, Französisch und Schweizerdeutsch gesungene Lieder.
„Ich jätete schon immer gerne in vielen Sprachgärtchen.“
„Früher glaubten viele, ich sei Zigeunerin oder Jüdin, die ja mehrsprachig sind. Ich jätete schon immer gerne in vielen Sprachgärtchen“, sagt Hug dazu. Wortwitz und Sprachspiele waren ein wichtiger Bestandteil des 1975 gegründeten Comedytrios TaroT, in dem sie zusammen mit Pepe Solbach und dem später berühmten Regisseur Christoph Marthaler auftrat. Dieser entdeckte als Erster ihr schauspielerisches Talent.
Dodo Hug wechselt im Flug zwischen den unterschiedlichsten Schweizer Dialekten. Sie ist schweizerisch-italienische Doppelbürgerin, spricht akzentfrei vier Sprachen und singt ihre Lieder in Deutsch, Französisch, Englisch, Italienisch, Spanisch, Portugiesisch, Jiddisch – sowie im Folksong „Uz Sme Ovecky Podojili“ auch einmal auf Slowakisch. Das Lied findet sich auf Juke Box, dem 1992 zum zehnjährigen Bestehen von Mad Dodo entstanden Sampler mit Livemitschnitten aus deren 1983 bis 1988 entstandenen Alben. Die komödiantische, in wechselnder Besetzung auftretende Trio- und Quartettformation war Dodo Hugs publikumswirksamstes Projekt.
Hugs Leben chronologisch zu erzählen, passt nicht zu ihr. Im Gespräch fallen ihr die verschiedensten Anekdoten ihres fünfzigjährigen Schaffens ein. Kehren wir zum Anfang ihres Künstlerinnendaseins zurück. Erst versuchte sie sich als Straßenmusikerin und hielt sich mit Brotjobs über Wasser. Als Neunzehnjährige arbeitete sie in einem Alters- und Pflegeheim. Die alten Leute, die ohne Beschäftigung freudlos herumsaßen, taten ihr leid. So sang sie abends jeweils „Liedli“, um sie zum Mitsingen zu animieren. Das kam bei den Alten hervorragend an, doch die Heimleitung fand das nicht lustig und entließ sie kurzerhand. Nicht weniger frustriert ob der Anziehungskraft der jungen Frau auf ihre Zuhörerschaft war wohl die Jazzsängerin Othella Dallas, die an einem Festival nach Dodo Hug auftrat. Als diese ihren Gitarrenkoffer weit hinten auf der Bühne holen wollte, ließ die Jazzsängerin ihr Publikum stehen, rannte auf Dodo Hug zu und versetzte ihr eine schallende Ohrfeige, da sie sich gestört fühlte. Die beiden Geschichten aus ihrer Sammlung „Anekdodoten über die Lebendigen und die Toten“ gehören wohl zu den witzigsten und speziellsten ihrer Karriere.
Lange Zeit gingen Musik und Lied, Komödiantisches und Schauspiel Hand in Hand. Nach der Auflösung von Mad Dodo 1993 kehrte Hug zu ihren Anfängen als Musikerin zurück. Ganz auf Komik verzichten kann allerdings sie nicht: „Sie muss Platz haben, auch in einem ernsthaften Programm.“ Im gleichen Jahr lernte sie den sardischen Liedermacher und Sänger Efisio Contini kennen. Ein absoluter Glücksfall. Die beiden verliebten sich und fanden sich gleichzeitig in der Musik. Zwei Jahre später heirateten sie.
Aktuell treten die beiden mit Liedern des Doppelalbums Castiadas: Canti Sardi Di Ieri E Di Oggi – Sardische Lieder einst und jetzt (siehe auch Rezension in folker #4.22) auf. Damit bringt das Paar auf eindrückliche Weise die Wertschätzung zum Ausdruck, die es der Kultur Sardiniens entgegenbringt. Schon 2019 wurde den beiden in Cremona der von der Maria-Carta-Stiftung vergebene Kulturpreis Premio Maria Carta für ihre Verbreitung der sardischen Musik im Ausland verliehen.
Daneben stehen die beiden mit Liedern von Cosmopolitana – eine Ode an die Vielfalt, auf der Bühne. Das 2019 publizierte, gleichnamige Album ist ein Plädoyer für Kulturvielfalt, für eine Welt lebenswerter Gefühle, ohne den Blick auf aktuelle Probleme zu verlieren. Einer der Titel, der von Victor Daniel komponierte Latin-Hit „La Vida Es Un Carnaval“, könnte für Hug geschrieben sein. Darin heißt es etwa, dass es schöner sei, singend durchs Leben zu gehen und dass das Leben eine Achterbahnfahrt sei und Singen den Kummer vertreibe. Die Musikerin dazu: „Wenn ich Geschichten niederschreibe, kann ich sie besser gehen lassen.“
Und wie fühlt sich Dodo Hug nach fünfzig Jahren auf der Bühne? „Ich spüre schon, dass ich älter werde, doch ich bleibe immer dran und schaue nach vorne“, lautet die Antwort. Für den Herbst 2024 plant sie ihr neues Bühnenprogramm „Dodologie“, einen Rückblick auf fünfzig Bühnenjahre. Darin wird sie mit einer erweiterten Band aus ihrem befreundeten Umfeld auftreten.
Auswahldiskografie:
- Castiadas: Canti Sardi Di Ieri E Di Oggi – Sardische Lieder einst und jetzt (Do-Album; Hugini Music, 2022)
- Cosmopolitana – eine Ode an die Vielfalt (Hugini Music, 2019)
- Digi Tales – Best Of 2003-2013 (Do-Album; Hugini Music/Zytglogge, 2014)
- Sorriso Amaro – Canti Di Lavoro E D’Autore (Hugini Music/Zytglogge, 2010)
- Mad Dodo, De La Musique À La Folie (Zytglogge, 1992)
Videolinks:
- Youtube: „Stromboli“, Dodo Hug & Band, live im Kleintheater Luzern, 1999
- Youtube: „Biskisende“, Dodo Hug, Efisio Contini mit Pippo Pollina & Band, live im Zürcher Volkshaus, 2013
- Youtube: Dodo Hug & Efisio Contini, Programm „Sorriso Clandestino“, Konzertmittschnitt aus Wetterhorn, Hasliberg, 2015
- Youtube: Dodo Hug & Efision Contini, „Easter Session“, Wohnzimmeraufnahme, 2020
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