„Mein erstes Instrument war die Dammam, eine quer vor dem Körper getragene Röhrentrommel mit Fellen auf beiden Seiten“, erinnert sich Habib Meftah. Damals war er zehn Jahre alt. Unterricht bei einem Ostad („Meister“), wie zum Beispiel in der traditionellen Kunstmusik Irans üblich, hat er nicht erhalten. Im Gegenteil: „Ich hörte und sah den älteren Männern einfach zu, wie sie spielten – ohne etwas zu fragen. Ich habe die Musik wohl mit dem Herzen aufgenommen, wie man so schön sagt.“
Als junger Musiker wurde Habib Meftah Ende der Neunzigerjahre als Sideman des ebenfalls aus Buschehr stammenden Nay-Anban-Spielers Saeed Shanbehzadeh bekannt. Meftah begleitete dessen virtuoses Sackpfeifenspiel fast siebzehn Jahre lang als Percussionist – auch in Frankreich, wo die beiden Musiker ab 2001 vier Jahre lang ein Tanzprojekt der Compagnie Montalvo-Hervieu begleiteten.
Später, Habib Meftah war gerade für eine Albumproduktion in den Iran zurückgekehrt, wurde ihm das zum Verhängnis, wie er sich erinnert: „Das war zu Beginn der Präsidentschaft Mahmud Ahmadinedschads. In der Zeit gewannen die Basidschi an Einfluss und wollten ihre Macht zeigen.“ Nach Meftahs Schilderungen waren es Angehörige dieser Miliz, die ihn plötzlich auf der Straße umringten, ihn beschimpften und tagelang einsperrten. Den Grund dafür habe er nicht erfahren. Er vermutet aber: „Es war die Mitwirkung an der Tanzshow, die auch im französischen Fernsehen gezeigt worden war. Hinzu kam, dass ich darin eine Sängerin begleitete, die ein religiöses Lied aus der Barockzeit sang.“ Als man ihn wieder freiließ, habe man ihm den Reisepass abgenommen. „Unterstützt von einem Anwalt, musste ich drei Jahre dafür kämpfen, wieder nach Frankreich ausreisen zu dürfen.“
In den Iran ist Habib Meftah seither nicht zurückgekehrt. 2014 endete zudem die Zusammenarbeit mit Shanbehzadeh. „Es war wie in manchen Ehen: Irgendwann ist man müde und merkt, dass es reicht. Unsere Vorstellungen von Musik waren zuletzt sehr unterschiedlich“, nennt Meftah die Gründe und investiert seine Energie seitdem in eigene Projekte und Kooperationen mit Musikerkollegen. Zu letzteren gehören der französische Gitarrist Titi Robin und das in Paris beheimatete palästinensische Oud-Ensemble Trio Joubran.
Habib Meftahs erstes Soloalbum Deyzangeroo erschien 2005, darauf finden sich kaum verfremdete Beispiele südiranischer Percussionkunst. Erst fünfzehn Jahre später folgte mit Shibaali ein Album, das auch die Handschrift des Sounddesigners Nicolas Lacoummette erkennen ließ, Meftahs damaligem Bühnenpartner. Der sorgte für den Klangteppich, auf dem sich das perkussive Spiel des Musikers und Sängers entfalten konnte.
„Shibaali ist das musikalische Tagebuch meines Lebens“, meint Habib Meftah. Darin habe er Eindrücke aus seiner Kindheit und der Zeit des Erwachsenseins verarbeitet. „Wenn ich zum Beispiel als Kind mittags aus der Schule kam, überraschte mich meine Großmutter häufig mit einem kleinen Geschenk, etwas Geld oder einer Süßigkeit. Diese Dinge waren immer unter einem dünnen weißen Tuch verborgen, in das sich ältere Frauen im Südiran hüllen. Shibaali bedeutet in unserer Sprache ‚unter der Kleidung‘. Die Idee war, im Laufe meiner Konzerte viele kleine Überraschungen für das Publikum hervorzuholen – so wie es einst meine Oma im Garten unseres Hauses für mich tat.“
Konzerte vor Publikum hat Meftah, wie fast alle Musiker und Musikerinnen, während der Coronapandemie lange nicht geben können – zumal die Maßnahmen zu deren Eindämmung in Frankreich zeitweise restriktiver waren als in vielen Nachbarländern. Die Folgen für die Kulturschaffenden beschreibt er mit nicht druckreifen Worten und fügt an: „Ich kann mir immer noch nicht vorstellen, wie das weitergehen wird.“
Die vergangenen zwei Jahre nutzte Habib Meftah dazu, an neuen Projekten zu arbeiten, unter anderem mit dem Musikproduzenten Rouzbeh Esfand. Eines ist die EP Unbalanced, die elektronischer klingt als das, was man bisher von Meftah kennt. Auszüge aus dem darauf gesungenen Text: „Wir haben unter der Hitze gelitten und blutige Herzen bekommen. Wir haben getanzt und uns gefürchtet; wir haben gelacht und uns gefürchtet. Dreihundert Rosen sind gestorben. Alles was schön war, wurde hinweggeschwemmt.“ Habib Meftah umschreibt damit die vom Klimawandel, Dürreperioden und Flutkatastrophen besonders betroffene alte Heimat. „Das ist die Geschichte Südirans. Wir können nichts daran ändern und sind trotzdem glücklich.“ Eine zugegebenermaßen recht fatalistische Haltung, die aber vielen Iranerinnen und Iranern dabei hilft, überhaupt in ihrem Land leben und überleben zu können.
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