Die weißen Franzosen, die schwarze Musik machen, beweisen, dass Musik keine Grenzen und keine Hautfarbe hat. Afrikaner wie Ray Lema oder Manu Dibango spielen schon lange mit Sinfonieorchestern, Moundélé, El Gato Negro oder Akalé Wubé sind weiß, was man ihrer Musik aber nicht anhört.
„Ich finde es sehr ungerecht, einer weißen Künstlerin oder einem Künstler mit Dreadlocks zu verbieten, die Musik zu machen, die er oder sie fühlt!“, empört sich Julia Sarr. „Das ist wohl eine subtile Art, afrikanische Musik in eine Schublade zu stecken.“ Die in Dakar geborene Sängerin findet es „unerträglich“, jemandem bestimmte Musikstile nicht zugestehen zu wollen. „Wenn ich heute Lust habe, mir die Haare blond zu färben und Techno zu machen, ist das dann kulturelle Aneignung?“
Julia Sarr lebt seit über 25 Jahren in Paris und ist eine sehr gefragte Backgroundsängerin. Sie hat übrigens mit dem Studium aufgehört, als sie im Studio mehr verdiente als mit einem Monat Babysitten. Die Liste der Berühmtheiten, mit denen sie gearbeitet hat, reicht bis hin zu Jean-Jacques Goldman oder Julio Iglesias. Julia Sarr singt mit Pariser Rappern oder mit dem kongolesischen Stimmwunder Lokua Kanza, mit dem sie zwölf Jahre lang gemeinsam auftrat, mehrmals auch auf dem Würzburger Africa Festival. „Als ich mein eigenes Projekt machte, rief ich dort an und fragte, ob sie mich ins Programm nehmen wollen“, erinnert sie sich. Heute traue sie sich, diese Geschichte zu erzählen. „Sie antworteten verlegen, es störe sie, dass meine Bandmitglieder nicht schwarz sind!“ Die Afrikanerin ist immer noch schockiert. „Sie sagten: ‚Aber deine Musiker sind doch weiß und keine Afrikaner.‘ – ‚Ja und?‘, antwortete ich. ‚Sie spielen meine Musik sehr gut.‘“ Sarr ist also nie mit ihrem eigenen Projekt auf dem Würzburger Festival aufgetreten. „Ich entspreche wohl nicht dem Bild, das sie von afrikanischer Musik abbilden wollen“, sagt die Sängerin mit einem Schulterzucken. „Das Bild ist in ihren Köpfen, das Klischee einer gewissen afrikanischen Musik, die mit einem Knochen in der Nase gespielt werden muss.“ In ihre eigene Musik mischt Julia Sarr Jazzimprovisationen oder bereist die swingende Welt des Afrojazz. Aber die Basis sei in Senegal, sagt sie. Sie singt in der Landessprache Wolof.
Der ebenfalls aus dem Senegal stammende Spezialist in Sachen afrikanische Musik Nago Seck organisiert Konferenzen zum Thema in den USA, Kanada, Afrika und selbstverständlich auch in Frankreich, wo er an Konservatorien die afrikanischen Musikstile und ihre Geschichte erklärt. Eine sehr notwendige musikalische Erziehung, meint Seck. „Selbstverständlich erzählt Musik von der Seele, der Kultur eines Volkes. Aber Musik ist offen für alle.“ Die Menschen in Afrika hätten schließlich auch Folk und Rockmusik für sich angenommen. Rock sei zwar ebenfalls eine „schwarze Kreation“ mit Little Richard und anderen amerikanischen Musikern und Musikerinnen, aber nach afrikanischem Empfinden kam diese Musik aus Amerika. „Musik kennt keine Grenzen“, betont auch Seck. „Lasst uns die Tore öffnen und die Kinder machen, worauf sie Lust haben! Wenn sie Dreadlocks oder Zöpfchenfrisuren wollen, warum sollten sie das nicht tun dürfen?“ Der Musikexperte verweist auf James Brown, der Lockenwickler benutzte und sich die Haare glättete: „Das ist James Brown!“ Seck nennt noch ein Beispiel: Michael Jackson habe bei seinem Moonwalk-Tanzschritt den französischen Pantomimen Marcel Marceau imitiert, und schlussfolgert mit tiefster Überzeugung: „Lasst die Leute machen, denn das ist Kreativität, das ist Öffnung und das ist die Einheit der Völker, die wir uns wünschen.“
0 Kommentare