Ist die CD in deinen Augen tot und überflüssige Verschwendung von Rohstoffen, wo man heute doch alles „online“ bekommt?
Noch ist sie nicht tot, denke ich. Mein Publikum ist eher ab vierzig aufwärts, und da wird eine CD durchaus noch geschätzt so wie der Kontakt nach dem Konzert mit Autogramm und Widmung. Mein über Jahrzehnte aufgebauter Lauscher:innenkreis hat die Idee des Künstlerartenschutzes sehr gut verstanden. Sie verstehen, dass es ein Geben und Nehmen ist. Und das bleibt in meinem Kreis offenbar auch lieber haptisch. Für die, die keinen Player mehr haben, gibt es inzwischen auch direkt bei mir einen Download, und das in guter Qualität und für eine faire Vergütung. Wenn online nur bedeutet, dass es umsonst zu bekommen ist, dann ist Wertschätzung dahin, was traurig ist. Es gibt aber wieder mehr Leute, die Vinyl schätzen, auch junge Menschen, aber das ersetzt nicht die fehlenden CD-Verkäufe. Bei Konzerten oder über den eigenen Shop geht bei mir mehr als über den Vertrieb. Ich hoffe dennoch, dass die CD uns noch ein wenig erhalten bleibt.
Sind Streamingdienste wie Spotify, Youtube oder Deezer aus deiner Sicht ein willkommenes Marketingtool oder zu verurteilendes Teufelswerk, weil nur die Großen verdienen und die Kleinen meist leer ausgehen?
Grundsätzlich ist es ein zeitgemäßes Tool. Die Vergütung allerdings ist es nicht. Verhandelt haben das jedoch vor allem einige Majorlabels wie Sony, Universal und Warner, die auch Anteilseigner sind. 2006 wurde Spotify von zwei Milliardären gegründet und wurde Marktführer, vor allem auch deshalb, weil man Millionen von Songs hören kann, ohne auch nur einen Cent dafür zu zahlen. Dass so wenig bei den Musiker:innen landet, ist den wenigsten Usern bewusst. Von 300 Millionen Nutzer:innen zahlen nicht einmal die Hälfte ein Abo bei Spotify. Das müsste sich ändern. Es sind nur etwa 0,003 bis 0,007 Euro pro Stream, die im Schnitt bei den Künstler:innen landen. Bei tausend Streams also gerade mal 3 Euro. 40 Prozent der Einnahmen aus den Abos gehen an die Labels, etwa 20 Prozent an Musikschaffende. Darüber hinaus gibt es das Pro-Rata-System, das nicht nur nach Streams, sondern auch nach Marktanteilen abrechnet. Wer also hohe Streamingzahlen erreicht, bekommt pro Stream mehr ausgeschüttet, weil sein Marktanteil mehr Gewicht hat. Im Gegensatz zum User-Centric-Verfahren, bei dem die Abogelder nur an die gehen, die man tatsächlich streamt. Letzteres hat sich leider bisher nicht durchgesetzt. Hier ist das alles ganz gut erklärt: www.rollingstone.de/spotify-und-co-wie-verdienen-musiker-durch-streaming-2237651. Ich empfehle zudem das Buch Spotify Teardown, um mal einen Blick hinter die Kulissen zu werfen. Denn offenbar hat das alles deutlich weniger mit Musik als mit der Sammlung von wertvollen Daten über uns zu tun. Sowohl in den USA als auch in Frankreich gibt es inzwischen von politischer Seite Druck in Richtung Lizenzen für Künstler:innen. Natürlich wehren sich Spotify, Amazon und Google. Alles Jammern nützt allerdings nichts. Musiker:innen müssen andere Wege für sich finden, um noch ein Auskommen haben zu können.
Welchen Stellenwert haben soziale Netzwerke inzwischen als Kontakt-, Info- und PR-Medium für dich, aber auch aus Sicht der Endverbrauchenden und der Musikschaffenden allgemein?
Sie sind wichtig, aber man darf sie nicht überschätzen. So ein Like ist schnell gesetzt. Ob der Mensch dann wirklich zum Konzert kommt oder eine CD kauft, weiß der große Manitu allein. Schnell gerät man in ein „Chasing-Likes“-Gefühl und meint, viele Likes bringen auch wirklich etwas. Am Ende ist mein verlässlichster Partner der gute alte Newsletter. Von ein paar Tausend treuen Luxlauscher:innen, die direkt CDs oder Downloads kaufen und vor allem auch zu Konzerten kommen, kann ich leben. Von Millionen vorbeiflitzenden Likes sicher nicht. Es geht um echte Bindung zu meiner Musik und meinen Geschichten. Ohne diese Verbundenheit hätte mich die Pandemie zerdrückt. Und auch die letzten Jahre wären niemals so stabil geblieben. Facebook macht dann Spaß, wenn man einen guten Kreis aufgebaut hat. Dann kann es durchaus auch mal politisch oder philosophisch zur Sache gehen und es kann ein schöner Austausch mit den Fans entstehen. Musik machen ist für mich so viel mehr als Töne oder Worte. Es ist vor allem echte Begegnung, die kein Netz je ersetzen kann. Ich bin sehr dankbar für meine treuen Leute.
Welche Rolle spielt Digitalisierung für dich persönlich in der Ausübung deines Jobs? Hat sie deine Arbeit verändert? Werden konventionelle Musikstudios bald überflüssig? Was ist mit dem klassischen Zusammenspiel einer Band live in einer Aufnahmesituation?
Ich erinnere mich gut an Aufnahmen auf Bändern zusammen in einem Raum mit der ganzen Band. Das ist eher selten geworden. Man konnte damals nicht so einfach Aufnahmen schneiden, austauschen, versetzen oder gar autotunen. Es musste sitzen. Und es war großartig, wenn es dann den Take gab, bei dem alles stimmte. Alles hat Vor- und Nachteile. Auch ich arbeite natürlich mit einer Digital Audio Workstation (DAW) und habe die letzten beiden Alben zusammen mit Oliver George größtenteils im kleinen Luxuriant Studio daheim aufgenommen. Und auch wir haben zusätzlich Samples genutzt. Zum Abschluss des Albums waren wir aber dann wieder bei Klaus Genuit in den Hansahaus-Studios Bonn für einige zusätzliche Aufnahmen, den Mix und das Mastering. Er ist einfach der Größte. Und es geht nichts über famos aufgenommene Parts – Gitarre, Schlagzeug, Stimme. Aber am Ende schau ich, dass ich es mit meinen Möglichkeiten so berührend hinbekomme, wie es eben geht. Die Möglichkeit, sich Files hin- und herzuschicken, ist natürlich toll. So konnten wir auf dem letzten Album Lichtblicke zum Beispiel unseren Freund Soul aus London virtuell einladen, einen Bass einzuspielen, und auch Anne de Wolff aus Hamburg hat für ein wunderbares Streicherarrangemt ihre Aufnahmen geschickt.
Wie beeinflusst Digitalisierung aus deiner Sicht die Verfügbarkeit von Tabulaturen, Liedtexten mit Akkorden, Noten und andere Materialien. Sollte alles und jedes jederzeit frei im Internet verfügbar sein?
Das Internet hat so viel jederzeit verfügbar gemacht, dass einiges an Wertschätzung für Bilder, Texte und Musik verschwunden ist. Oder eher an dem klaren Empfinden, dass jemand da ein Werk geschaffen hat und dieser Mensch einen Beruf ausübt und dafür natürlich auch vergütet werden sollte. Wenn alles frei ist, wird es zu Allgemeingut und lässt die Urheber leer ausgehen. Auch für Film, Fotografie oder Kunst gilt das. Dem Beruf des Künstlers und der Künstlerin haftet immer etwas Verträumtes an. Der alte Satz, „Da haben sie aber ein schönes Hobby.“, schwebt immer im Raum. Das wurde mir in der Pandemie sehr deutlich. Ich bin als Musikerin aber eben auch Unternehmerin, und ich habe mir einen Wert erarbeitet, für den ich mich aufrichten muss. Das ist vor allem auch ein innerer Prozess, der bedeutet, sich wirklich auf die Füße zu stellen, das eigene Schaffen als wertvoll anzuerkennen und auch dementsprechend Vergütung einzufordern. Diesen Appell, es genauso zu machen, möchte ich gerne auch an die Kolleg:innen richten. Es ist eben nicht nur ein Traum, sondern ein Beruf von dem wir gern leben.
Wie hat Digitalisierung deine eigene Musikrezeption beeinflusst? Wie hörst du heute Musik, wie nimmst du sie wahr und über welche Medien? Welche Streamingdienste bevorzugst du und aus welchen Gründen?
Ich lege eher selten eine CD auf. Das sind dann besondere Momente. Beim Streamen habe ich mich für TIDAL entschieden. Hier ist ein Abo Voraussetzung und die Ausschüttungen sind deutlich besser. Wenn ich reise, bin ich vor allem Radiohörerin. Je mehr direkte Downloads bei Apple Music oder wo auch immer, desto besser für die Künstler:innen. Bei mir auf der Website geht das ebenfalls direkt und auch in WAV-Qualität für Hi-Fi-Freunde. Am Ende kann ich nur jedem empfehlen, bei kleineren Künstler:innen möglichst den direkten Bestellweg zu gehen und vor allem auch in die Konzerte zu kommen. Musik und Kultur überhaupt leben, wie gesagt, von Begegnung, und gewöhnen wir uns diese ab, dann verändern sich Dinge, auch wenn man das nicht sofort spürt. Wenn man dann wieder mal rausgeht und beseelt von einem Konzert nach Hause schwebt, weiß man wieder, was es war, was da fehlte. Bleibt dran.
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