Clare Sands gehört zu den Musikerinnen aus Irland, die sich nicht an Konventionen oder Regeln halten. Sie zieht ihre Inspirationen aus der persönlichen Herkunft und vielen Reisen in aller Welt.
Text: Wolfgang Weitzdörfer
Wenn man sich dem Irish Folk verschrieben hat, kann man das konventionell bis orthodox angehen. Oder neue Ideen, Sounds und Themen in die traditionelle Musik einbringen. Wie Clare Sands. Die Musikerin mit Wurzeln im irischen County Wexford sowie in Nordirland bringt aus mehreren Generationen deren Erfahrungen mit in ihre Musik. „Ich komme aus einer sehr musikalischen Familie und bin in der sechsten Generation Fiddlerin und Sängerin – das ist einfach in meinem Blut und in meinen Knochen“, sagt sie lachend. Immer sei da Musik im Elternhaus gewesen. „Jede Woche gab es Sessions, Treffen, Singalongs“, erzählt sie. Und ergänzt: „Dem konnte ich mich einfach nicht entziehen – und dafür bin ich enorm dankbar.“
Später studierte sie dann Musik und Italienisch in Cork. Mit weitreichenden Folgen. Denn an der Universität lernte sie Freunde und Musikerinnen kennen, die sie auf ihren eigenen Musikweg brachten. „Ich habe dort alle möglichen Stilarten gespielt – Jazz, Blues, südamerikanische Musik. Bei Reisen nach Mexiko, Nordafrika oder Kuba habe ich immer neue Kulturen und Klänge kennenlernen dürfen“, sagt Sands. Den endgültigen Schritt in den Profibereich habe sie dann aber dennoch erst vor einigen Jahren gewagt. „Das ist nicht immer einfach, aber dafür ist es ein echtes Privileg. Denn ich darf die Welt bereisen und mit den Menschen überall die Musik teilen, die in meiner Seele ist“, sagt sie ernst.
Ob es wirklich „neue“ Folkmusik sei, die sich in ihrer Seele findet, wisse sie gar nicht. „Es ist vielleicht auch eher zeitgenössischer Folk“, meint die Musikerin. Sie entstehe, indem sie die traditionellen irischen Klänge nehme und dazu ihre Inspirationen und Einflüsse aus modernen Sounds mische. Wer schon einmal Songs wie „County Down“, „Abair Lom Do Rúin“ oder „Carry My Song“ live gehört hat, gesehen hat, wie Clare Sands in den Tönen versinkt, die sie mit ihrer Fiddle erzeugt, kann beginnen zu verstehen, was diese Mischung so besonders macht. Es ist ein ganz eigener Sound, der nichts mit den typischen Jigs und Reels zu tun hat, die man im Allgemeinen mit Irish Folk verbindet. Es ist die Kombination eines tief wurzelnden irischen Erbes und den unterschiedlichsten Einflüssen aus aller Welt.
Die junge Musikerin sieht ihre Musik dabei aber gar nicht einmal als so besonders an – ein schönes Beispiel ihrer Bescheidenheit und Bodenständigkeit. „Ja, kann schon sein, dass mein Fiddlespiel im traditionellen Bereich als experimentell angesehen werden könnte. Aber auf der anderen Seite weiß ich gar nicht, was die sogenannte authentische irische Musik heutzutage eigentlich ist – vielleicht habe ich das auch nie gewusst“, beschreibt sie es. Schließlich seien auch schon die Fiddlemusiker der Fünfzigerjahre experimentell gewesen – natürlich auf andere Art und Weise. „Meine Experimentierfreude macht sich durch Einflüsse und Erfahrungen meiner Reisen oder aus dem Gypsy-, Jazz- und Bluesbereich bemerkbar“, sagt Sands. Und ergänzt schmunzelnd: „Schließlich ist Tradition das Weiterreichen der Flamme – und nicht die Anbetung der Asche, nicht wahr?“
Ebenfalls interessant ist in diesem hoch spannenden musikalischen Konglomerat die Tatsache, dass Clare Sands viele ihrer Sounds und klanglichen Reisemitbringsel auf analogen Kassetten aufnimmt. Sie lacht: „Ich liebe einfach die Qualität der Tapes!“ Abgesehen davon seien die Kassetten ganz einfach zu transportieren – nicht unwichtig, wenn man nach dem Motto lebt: „Reise mit leichtem Gepäck.“ „Wenn ich auf Reisen bin, dann sind Kassetten ideal. Ich kann sie ganz einfach bei mir haben und damit aufnehmen – wie gerade jetzt, während wir miteinander sprechen. Ich bin aktuell in Marokko, in einer kleinen Berberstadt. Hier habe ich unsere Session vom gestrigen Abend ganz einfach auf Kassetten aufgenommen“, erzählt sie.
Die Geige, die irische Fiddle, ist immer schon das Instrument der Wahl für Sands gewesen. „Es gab keine Alternative. Wie ich schon erwähnt habe, stamme ich aus einer Familie, in der schon seit Generationen die Fiddle gespielt wird“, sagt sie. Sie beherrsche aber durchaus auch andere Instrumente. „Hier in Marokko habe ich etwa die kleine spanische Gitarre meines Vaters dabei, die ich liebe und auf der ich sehr gerne spiele. Genau wie auf dem Cello, dem Bass, dem Schlagzeug, der Mandoline und dem Klavier.“ Eine echte Multiinstrumentalistin also.
Clare Sands, das überrascht nun auch nicht wirklich, hat neben ihrer Musik auch einen klaren Sinn für Botschaften, die sie transportieren will. „Alle meine Stücke haben eine Botschaft – meist als Reflexion auf das Leben und seine Herausforderungen“, sagt sie. Allerdings schreibe sie nicht mit einer speziellen Botschaft im Sinn, das ergebe sich dann eher „zwischendurch“. Oder, wie es die Musikerin augenzwinkernd ausdrückt: „Ich schreibe, um mich mitzuteilen, um Hoffnung zu schaffen – und den Geist am Leben zu erhalten.“
Grenzen kenne sie keine. Was nicht verwundert, wenn man doch eine solch weit gereiste musikalische „Grenzgängerin“ ist, sprichwörtlich, wie im eigentlichen Wortsinn. „Nein, definitiv gibt es keine Grenzen für mich und meine Musik! Der Tag, an dem ich an eine Grenze stoße, wird der Tag sein, an dem ich mit der Musik aufhöre“, betont Sands. Das sei übrigens auch ihr Lebensmotto.
Wer sich nun für die Musik von Clare Sands interessiert, sollte sich drei Dinge vormerken. Zum einen die Tourdaten in Deutschland im Frühjahr: Ab dem 10. bis zum 29. April 2023 wird die Musikerin an sechs Terminen in Braunschweig, Leverkusen, Krefeld, Villingen, Saarbrücken und Bad Tölz zu erleben sein. „Ich plane aber auch die Veröffentlichung eines neuen Albums in diesem Jahr“, ergänzt sie. Der Titel des Albums soll irisch-gälisch Gormacha sein – auf Englisch: „The Blues“. Ebenfalls in diesem Jahr wird es ein vierteiliges Projekt geben. „Inspiriert von den vier am weitesten voneinander entfernten Orten auf der irischen Insel“, sagt Clare Sands. Und fügt lachend hinzu: „Der erste Teil erscheint schon im März – haltet also danach Ausschau!“
Aktuelles Album:
Clare Sands (Eigenverlag, 2022)
Videos:
„Carry My Song“ mit Susan O’Neill: www.youtube.com/watch?v=_AdotrVaIm0
„Awe na Mná (Praise the Women)“: www.youtube.com/watch?v=1rhmX4fV-Uo
„Keep The Flame Burning“: www.youtube.com/watch?v=XvU1weyroQM
Youtube-Kanal: www.youtube.com/channel/UCpImGBA3-i4U458_DftRP_w
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