Kolumne

Sessionspiel als Community-Music-Praxis – Ein Plädoyer für mehr Musik im öffentlichen Raum

30. Juni 2025

Lesezeit: 3 Minute(n)

Außerhalb Bayerns ist es hierzulande nicht einfach, Kneipen und Wirtshäuser zu finden, die spontanem Zusammenspiel einen Raum bieten. Bereits um 2008 herum suchte ich im großen Berlin lange vergeblich nach einer Gastwirtschaft, die eine Session behaust. Viele der Café- und Kneipenbetreibenden konnten mit dem generellen Konzept einer Session auch nach einer Erklärung nichts anfangen und fragten immer wieder nach, wie die Band denn nun heiße, die da spielen werde. Fündig wurde ich dann in einem von einem jungen Bayern geführten Lokal. Momentan gibt es in Berlin leider keine mir bekannte öffentliche Session für nicht irische Volksmusik mehr. Sehr schade!

Text: Merit Zloch

Ich finde, Musikantenstammtische und Sessions können als eine Art Community-Music-Praxis betrachtet werden. Sessions für traditionelle Musik sind in der Regel offen für alle musizierenden Menschen. Viele Melodien sind schnell durch Zuhören erlernbar und laden innerhalb kurzer Zeit zum musikalischen Dialog ein. Die einleitend erwähnten Zusammenkünfte in Kneipen und Wirtshäusern finden an einem durch Laufpublikum frequentierten Ort statt, wo eine hohe Wahrscheinlichkeit besteht, dass sich Zufallsgäste einfinden und mitmachen. Die Gäste werden nicht darauf reduziert, Publikum zu sein, sondern können sich einbringen, mitsingen, mitmusizieren, tanzen. Dadurch entsteht ein Dialog der musizierenden Gruppe mit dem sie umgebenden Soziotop, der sich in seiner Ungezwungenheit in kaum einer anderen Situation herstellen lässt.

Es gibt jedoch noch öffentlichere, für spontan Musizierende niedrigschwelligst zugängliche Orte ganz ohne Verzehrpflicht: Parks. In Berlin beispielsweise gab es über Jahre eine Folktanzsession im Monbijoupark. In Wien wurde lange Zeit sogar mitten am Heldenplatz musiziert – einem zentral gelegenen, touristisch stark frequentierten Ort bei der Hofburg. Derartige Musiziersituationen sind nicht nur Dialogangebote einer spontan musizierenden Gruppe mit allen Vorbeikommenden – egal ob Personen im Urlaub, Obdachlose oder Menschen, die vom Einkaufen kommen –, sondern erproben auch die Zugänglichkeit des öffentlichen Raums. Leider muss ich über die Parksessions in der Vergangenheitsform schreiben. Mir ist in beiden Fällen nicht bekannt, ob dort im Sommer noch akustische Folkmusik gemacht wird, und bezweifle es leider. In Berlin werden Parks zwar rege für Musik und Tanz genutzt, allerdings begann dort vor ungefähr zehn Jahren eine bedauerliche Verdrängung von unverstärkter durch verstärkte Musik.

Es gibt noch einen weiteren, nicht ganz so öffentlichen Ort für eine rege Kultur des Zusammenspiels: Kurswochenenden für jede Art von traditioneller Musik. Hier finden sich außerhalb des offiziellen Workshopprogramms oft Angehörige einer geschlossenen Gruppe – nämlich alle an den Kursen Beteiligten – zum unangeleiteten, unvorbereiteten Musizieren zusammen. Auch hier gilt die Devise: Alle Anwesenden können mitmachen. Das Repertoire besteht häufig aus Stücken, die innerhalb der Szene bekannt sind oder in die man andernfalls schnell „reinkommt“. Die Vorschläge kommen von den Musizierenden selbst und werden gemacht, indem man ein Stück „anreißt“, also anspielt. Wenn die anderen beginnen mitzuspielen, ist der Vorschlag angenommen. Sollte das nicht der Fall sein, gibt es einen neuen Vorschlag aus der Runde.

Spontanes gemeinsames Musizieren macht jede Menge Spaß und die Welt auch ein Stück besser, denn es bringt durch gemeinsame Aktivität Menschen mit verschiedensten Hintergründen zusammen. Also: Auf die Suche gemacht nach weiteren öffentlich zugänglichen Orten, an denen man dies tun kann!

Zur Autorin: Merit Zloch spielt, arrangiert und unterrichtet seit über 25 Jahren einheimische Musik solo und im Ensemble auf der böhmischen Hakenharfe. Sie organisiert außerdem Musikertreffen und Kurswochenenden. www.meritzloch.net

Bringt Menschen zusammen – Musizieren im öffentlichen Raum

Foto: Andy Seyfang

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