Was Musik verbindend macht

Ein Einblick in die Pazifikregion Kolumbiens

18. Juni 2025

Lesezeit: 2 Minute(n)

Neben der interventionistischen Praxis der Community Music existieren in vielen Gemeinschaften musikalische Traditionen, die seit Jahrhunderten fest im Alltag verankert sind. Dieses Feld wird sowohl transdisziplinär als auch interdisziplinär erforscht und weist zahlreiche Berührungspunkte mit der Community Music auf. Einen kurzen Einblick in ihre Forschung gibt Sigrid Yanara Palacios Castillo.

Interview: Charlotte Daun; Foto: Boris Siyam

Wer bist du und was machst du?

Ich bin eine Schwarze Frau und geprägt von der kulturellen Identität der Pazifikregion Kolumbiens. Geboren wurde ich in Tumaco, einer kleinen Küstenstadt dieser Region. Bildung wurde für mich zu einem zentralen Werkzeug, um gesellschaftliche Barrieren zu überwinden und der historischen Marginalisierung entgegenzutreten. Ich habe an der Universität Bielefeld über die musikalischen Traditionen der kolumbianischen Pazifikregion promoviert. In der Vergangenheit arbeitete ich mit Künstler*innen wie Nidia Góngora & Canalón de Timbiquí, Baterimba, La Wey Segura und Herencia de Timbiquí zusammen. Im Jahr 2022 war ich Jurymitglied beim Festival de Música del Pacífico Petronio Álvarez, das als das bedeutendste Festival für afrolateinamerikanische Folkmusik gilt. Derzeit bin ich im Rahmen des lateinamerikanischen Festivals ¡VIVA! im Keuning-Haus Dortmund tätig. Zudem leite ich an der Fachhochschule Dortmund ein Seminar mit dem Titel „Kultur, kulturelle Diversität – aktueller Wissensstand und Selbstreflexion“, in dem ich auch Erkenntnisse aus dem Bereich der Community Music einbringe.

Worum geht es in deiner Forschung?

In meiner Forschung analysiere ich drei traditionelle Musikformen aus dem kolumbianischen Pazifik sowie eine vierte, in der diese Traditionen mit externen Einflüssen kombiniert werden. Dabei stütze ich mich auf zwei zentrale Kategorien: a) Musik als Bewahrung des kulturellen Erbes der Region, b) Musik als Schaffung kultureller Güter und Dienstleistungen auf der Grundlage dieses Erbes. Mit meiner Arbeit möchte ich nicht nur einen Beitrag zum aktuellen Forschungsstand leisten, sondern auch zur Anerkennung eines Kulturerbes beitragen, das über Jahrhunderte hinweg ausgegrenzt und unterdrückt wurde.

Was macht Musik so verbindend?

Musik ein Fundament, das Gemeinschaften zusammenhält. Zugleich kann durch Musik als Medium überhaupt erst Gemeinschaft entstehen. Community Music ermöglicht uns die Rückkehr zu den Wurzeln – zur Musik als einem zutiefst menschlichen Ausdruck, dessen Schönheit weit über das rein Ästhetische hinausgeht. In meiner Forschung ist Community Music eingebettet in das Konzept des „musikalischen Kulturerbes“. In den von mir untersuchten Gemeinschaften werden Gesänge, Rhythmen und Ausdrucksformen ausschließlich durch mündliche Überlieferung bewahrt – sie wurden von Generation zu Generation weitergegeben. Dabei steht das gemeinschaftliche Erleben im Mittelpunkt: Es gibt keine Trennung zwischen Publikum und Musizierenden, und der Tanz ist integraler Bestandteil des musikalischen Ausdrucks. Musik in der Gemeinschaft fördert das allgemeine Wohlbefinden und ist tief mit dem biogeografischen Kontext verwoben. Der Körper fungiert dabei als Speicher von Erinnerungen und spielt eine zentrale Rolle in der sozialen Nutzung von Musik. Ebenso wird die Beziehung zu unseren Mitmenschen durch Musik intensiviert und mit Bedeutung aufgeladen. Eines der ersten Forschungsergebnisse zeigt unter anderem, dass Musik im pazifischen Raum Kolumbiens – insbesondere für Frauen – weit mehr ist als eine künstlerische Erfahrung. Sie stellt ein körperliches, identitätsstiftendes, persönliches und intimes Erbe dar – unveräußerlich und zugleich ein Vehikel für Heilung.

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Sigrid Yanara

Foto: Boris Siyam

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