Joni Mitchell hat es auf den Punkt gebracht: „Wenn die Welt in einem riesigen Chaos versinkt und niemand am Ruder sitzt, dann müssen die Kulturschaffenden Zeichen setzen.“ Die amerikanische Singer/Songwriterin hätte den derzeitigen Zustand der Welt kaum treffender beschreiben können. Denn Klimawandel, Kriege, aufsteigende autoritäre Regime, Migration, Inflation oder Korruption setzen die Demokratien weltweit zunehmend unter Druck. Ein gefundenes Fressen für Populismus von links und rechts, der die Krisen für die jeweils eigene Ideologie nutzen und die freiheitliche Grundordnung abschaffen will.
Laut einer aktuellen Umfrage des NDR unter 18.000 Beteiligten sehen 56 Prozent in extremistischen Parteien eine Gefahr für die Demokratie. Wenn man die Programme von Alice Weidel und Co. sowie Donald Trump in ihren momentanen Wahlkämpfen verfolgt und angesichts der hohen Zustimmungswerte für die AfD gerade in Ostdeutschland oder die Republikaner in den USA, ist das eine reale Bedrohung. Aber selbst wenn die extremen Parteien in ihre Schranken verwiesen werden, wie bei der Europa- oder Parlamentswahl in Frankreich geschehen, bedeutet das nicht, dass die für Demokratie Einstehenden aufatmen können. Denn die zersplitterte Parteienlandschaft macht das Regieren und damit die Krisenbewältigung immer schwieriger und kann sogar, wie in Frankreich befürchtet, zu Stillstand führen. Es steht also ein heißer Herbst bevor.
Umso wichtiger ist es, dass Musiker und Musikerinnen ihre Stimme erheben und damit vielleicht Menschen mobilisieren, sich stärker etwa für Freiheit und Umweltschutz oder gegen Rassismus einzusetzen. Die folker-Redaktion lässt daher im diesmaligen Schwerpunkt Kulturschaffende aus dem deutschsprachigen Raum und Übersee zu Wort kommen, die sich der politischen Musik verschrieben haben oder sich nicht scheuen, Dinge beim Namen zu nennen. Allen voran zählt dazu der aus Burkina Faso stammende und in Dresden lebende Liedermacher Ezé, der Fremdenfeindlichkeit am eigenen Leib erfahren hat. Weitere hörenswerte Stimmen sind die Cellistin Merle Weißbach, das Schweizer Duo Steiner & Madlaina sowie der ostdeutsche Liedermacher Paul Bartsch. Die Liedermacherin, Profolk-Vorsitzende und Netzwerkerin Peggy Luck zeigt am Beispiel unter anderem von Folk for Future, wie das Protestlied heute und auch unter Jüngeren zum Einsatz kommt.
Daneben geben wir einen Einblick in das multikulturelle Ensemble Banda Comunale, das seit 2001 von Dresden nicht nur mit seiner Musik, sondern auch in Schulprojekten gegen rechtes Gedankengut kreativ angeht. Wir porträtieren das Urgestein des politischen Liedes, den Kölner Liedermacher Gerd Schinkel, stellen Projekte vor wie Omas gegen rechts oder den Friedenschor Iserlohn und analysieren, welche Rolle Vereinnahmung von Musik für die rechte Szene spielt.
Bei all dem darf der Blick über den großen Teich nicht fehlen. Thomas Waldherr zeigt, wie sich afroamerikanische und weiße Musikschaffende auf die schwarzen Wurzeln des Country besinnen und damit Trump herausfordern. Nicht zuletzt berichtet der Musiker und Journalist Ryan Heinsius in seiner Kolumne aus eigenen Erfahrungen, warum gerade die Musik Bewahrer der Freiheit sein kann. Und bestätigt damit, was schon der kanadische Aktivist Louis Riel des Volkes der Métis im 19. Jahrhundert sagte: „Mein Volk wird hundert Jahre schlafen, aber wenn es erwacht, werden es die Künstler sein, die ihm seinen Geist zurückgeben.“
Super, dass Ihr Euch da ganz klar positioniert: mit Musik und Texten gegen rechte Hetze. Gegen AFD, Trump & Co.
Musik kann auch Protest sein – und war es in der Vergangenheit auch oft und hat sogar zu politischen Umstürzen geführt.
Leider bekomme ich den FOLKER hier in Tübingen nicht. Selbst in gut geführten Zeitschriftenläden liegt er nicht aus. Habt Ihr Infos, wo es ihn hier oder in der Umgebung gibt, wo Ihr vielleicht hinliefert?
Liebe Ursula, vielen Dank für den tollen Kommentar. Den folker können Sie hier (Einzelheft): hier oder hier (Abo): hier beziehen. Herzliche Grüße vom folker-Team