Weltweite Resonanz

Die Nyckelharpaszene

23. September 2025

Lesezeit: 6 Minute(n)

Audio mp3: »Weltweite Resonanz«, 10:32 min

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Man kennt das von Danksagungen bei großen Kulturereignissen oder Jubiläen: die Gefahr, jemanden zu vergessen. Diese lauert auch bei einer Übersicht über die Aktivitäten und zentralen Personen der Nyckelharpaszene. In weiten Teilen Europas, vor allem in Schweden, Deutschland, Frankreich, Italien, Belgien und England, aber auch im Osten, zum Beispiel in der Ukraine, sowie in den USA und Japan findet man heute immer mehr Musikschaffende, Profis und Laien, die sich in dieses Instrument mit dem herrlich weiten, resonanzreichen Klang verliebt haben.
Text: Jens-Peter Müller

Der erste Liebhaber aus der deutschen Folkszene, der mit unfassbarer Virtuosität seine (swingenden) Kompositionen und die damals exotische, in Deutschland auch als „Schlüsselfiedel“ bekannte Nyckelharpa einem großen Publikum präsentierte, war wohl der 2001 überraschend verstorbene Mecklenburger Gunter Frick. 1996 gewann er mit dem Trio Schlüsselbund den Deutschen Folkförderpreis. Seine musikalische Biografie als studierter Konzertgeiger ist typisch für viele andere, die aus der klassischen Musik, vor allem aus der sogenannten Alten Musik, von der Geige, der Bratsche, dem Cello oder vom Kontrabass auf das besondere Streichinstrument umgestiegen sind.

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Die Nyckelharpaszene ist gewachsen – und wächst immer noch. Zum Beispiel dank dem „Rikspelman“ Leif Alpsjö mit seinem Verlag Förlaget Emma und der Organisation von Spiel- und Instrumentenbaukursen in der nördlich von Uppsala gelegenen Provinz Uppland seit den Siebzigerjahren. Nicht nur dort, sondern überall gibt es Menschen wie ihn, die aus ihrer Begeisterung für die Nyckelharpa als Musikschaffende, Pädagoginnen oder Instrumentenbauer Initiative ergriffen haben und Kurse organisieren. Sie bilden ein einzigartiges Netzwerk, das im Dezember 2023 von der UNESCO in das Register der „Good Safeguarding Practices“ für das immaterielle Kulturerbe aufgenommen wurde.

Magnus Holmström

Foto: Mia Marin

In Frankreich gehören Jean-Claude Condi und die aus Deutschland stammende Annette Osann mit zu den treibenden Kräften, in Belgien Didier François, in England Ruth Morris und Vicki Swan. Letztere ist seit 2020 auch die treibende Kraft hinter dem World Nyckelharpa Day (der nächste findet am 26. April 2026 statt). In Deutschland sind es Musikerinnen und Musiker wie Regina Kunkel und Björn Kaidel von den Gruppen Akleja und Fior, Holger Funke von Poeta Magica, Jule Bauer und Caterina Other vom Nyckelharpa Trio (Other auch bei Strömkarlen und Tworna), Marco Ambrosini von Oni Wytars und Johannes Mayr von Cassard, Bordunrot oder dem Trio Larsson/Mayr.

„Heute taucht die Nyckelharpa wie selbstverständlich in allen Musikstilen auf.“

Es gibt jährlich mehrere Nyckelharpawochenenden, im Süden (Balingen), im Norden (Proitzer Mühle) und in Breitscheidt im Westerwald in den Werkstatträumen von Johannes Mayr, wo er hauptberuflich Instrumente baut. In Kooperation mit dem Eric-Sahlström-Institut in Schweden und der italienischen Scuola di Musica Popolare di Forlimpopoli wird in Deutschland eine einjährige Nyckelharpafortbildung angeboten. Zum Mittelpunkt dieses vielfältigen Netzwerkes hat sich Burg Fürsteneck in Nordhessen mit den großartigen Internationalen Nyckelharpa-Tagen entwickelt – vom 9. bis 12. Oktober finden sie 2025 bereits zum 22. Mal statt.

Catherina Other vom Nyckelharpa Trio hier mit Tworna 2024 in Rudolstadt

Foto: Michael Pohl

Im schwedischen Ransäter, auf dem Ransätersstämman, ist zu Pfingsten dieses Jahres auch Magnus Holmström anzutreffen, der Leiter des Eric-Sahlström-Institutes in Tobo im Norden der Provinz Uppland, benannt nach der wichtigsten Figur in der jüngeren Geschichte der Nyckelharpa, Eric Sahlström (1912-1986). Dessen innovativen Ideen zur Entwicklung des Instrumentes, sein Charisma und vor allem seine neuen Kompositionen für die Schlüsselfiedel trugen entscheidend dazu bei, dass das Instrument in den Sechzigern und Siebzigern in Schweden wieder populär wurde, nachdem es Anfang des 20. Jahrhunderts auch in Schweden fast ausgestorben war. „Zu Beginn unserer Arbeit war das Ziel noch, die Tradition möglichst lebendig zu halten. Heute taucht die Nyckelharpa wie selbstverständlich in allen Musikstilen auf“, sagt Holmström lachend. Er selbst stand mit seinem Kollegen David Eriksson bereits beim Wacken Open Air auf der Bühne, als Nyckelharpaduo und dann mit Schwedens führender Metalband Hammerfall.

Björn Kaidel mit Nyckelharpa

Foto: Regina Kunkel

Sein Landsmann Erik Rydvall von der Gruppe Nordic war Mitglied des Flamencoprojektes Flamencos en Route und widmet sich solo und im Lodestar Trio der Musik von Johann Sebastian Bach. Auf der Bühne in Ransäter standen als „klassisches“ Nyckelharpaduo die beiden Riksspelmän Annika Ekstav & Anders Mattsson mit Stücken aus der Tradition von Eric und Sture Sahlström, Niklas Roswall mit seiner Moraharpa, einem Vorläufer der modernen Nyckelharpa, im Duo mit dem Saxofonisten Jens Comén und Emilia Amper mit dem Weltmusiktrio ODE. Sie ist neben Josefina Paulson, Ditte Andersson und Åsa Jinder, die Mitte der Achtzigerjahre mit einer zarten Interpretation der schwedischen Nationalhymne für Nyckelharpa und E-Gitarre in den schwedischen Charts war, eine der führenden Spielerinnen Schwedens.

Holger Funke, der schon 1987 seine erste eigene Schlüsselfiedel anfertigte und zu den wichtigsten und gefragtesten Bauern und Sammlern zählt, berichtet stolz, ein Instrument an den ehemaligen Deep-Purple-Gitarristen Ritchie Blackmore verkauft zu haben.

Die Geschichte der Nyckelharpa wird seit den ersten Überlieferungen aus dem 13., 14. Jahrhundert von inspirierten Musikschaffenden und technischen Neuerungen innovativer Instrumentenherstellung bestimmt. Viele, wie Esbjörn Hogmark, auf dessen Initiative die UNESCO-Nominierung erfolgte, und Eric Sahlström sind beziehungsweise waren in beiden Bereichen aktiv. „Von Beruf war Sahlström Landwirt“, erzählt Magnus Holmström, „aber er hatte auch einen Job bei der Anfertigung von Holzrahmen für Fernsehgeräte. Die Reste – zum Teil fremdartige Hölzer aus Südamerika – nahm er dann für den Bau seiner neuen Instrumente.“

Josefina Paulson

Foto: Sascha Kajic

Die spieltechnische Entwicklung der Nyckelharpa geht immer weiter. Johan Hedin, Mitglied unter anderem bei Bazar Blå, ist neben Olov Johansson vom Trio Väsen das Vorbild für die junge Nyckelharpageneration Schwedens. Hedin hat ein Instrument gebaut, das größer ist und eine Oktave tiefer gestimmt, fast wie ein Cello. Dieses spielt er mit einem archaischen Bogen, wobei mit dem Daumen die Bogenhaare gespannt werden. So kann er mehrere Saiten auf einmal anstreichen und Akkorde spielen, was wichtig für die Liedbegleitungen in den Duos mit Esbjörn Hazelius und Ida Meidell ist. So orientiert sich die Entwicklung ganz lebenspraktisch immer an neuen musikalischen Herausforderungen und Idealen. Es bleibt also spannend!

Linktipps:

https://annetteosann.jimdofree.com

www.bjoernkaidel.de

www.ditteandersson.se

www.erikrydvall.se

www.esitobo.org (Eric-Sahlström-Institut)

www.facebook.com/emiliaampermusic

www.facebook.com/magnusnyckelharpa

www.hogmark.com

www.holgerfunke.net

www.johanhedin.com

www.josefinapaulson.se

www.marcoambrosini.eu

www.musicapopolare.net

www.musicroom.nyckelharpa.me.uk (Vicki Swan)

www.niklasroswall.se

www.nyckelharpa.be (Didier François)

www.nyckelharpa.com (Leif Alpsjö)

www.nyckelharpa.de (Johannes Mayr)

www.nyckelharpa.eu

www.nyckelharpa-condi.com

www.nyckelharpa.burg-fuersteneck.de

www.nyckelharpatrio.com

www.nyckelharpawochenende.de

www.olovjohansson.se

www.worldnyckelharpaday.com

Die Nyckelharpa – (k)ein Borduninstrument?

Borduninstrumente zeichnen sich dadurch aus, dass ein gleichbleibender Dauerton erklingt, während man sie spielt. Auf der modernen Nyckelharpa ist dies nicht möglich. Keine der Melodiesaiten, deren Tonhöhe über die Tastatur verändert werden kann, lässt sich jederzeit durchgängig anstreichen. Spielt man zum Beispiel die höchste Saite, kann man nicht gleichzeitig die tiefste Saite als Dauerton spielen – auch wenn sie verwirrenderweise „Bordunsaite“ genannt wird.

Auch die Resonanzsaiten, die der Nyckelharpa ihren halligen Klang verleihen und nur durch die Resonanz des Instruments schwingen, erzeugen keinen gleichbleibenden Dauerton. Welche Resonanzsaite erklingt, wechselt ständig, abhängig davon, welchen Ton man spielt. Andere Instrumente mit Resonanzsaiten (zum Beispiel die Viola d’amore) werden nicht zu den Borduninstrumenten gezählt.

Ist die Nyckelharpa also kein Borduninstrument? Ganz so einfach ist es nicht. Die moderne Nyckelharpa wurde im 20. Jahrhundert von Eric Sahlström und August Bohlin aus älteren Bauformen entwickelt, die Borduninstrumente waren.

Die Kontrabasharpa aus dem 17. Jahrhundert heißt nicht so, weil sie tief gestimmt war, sondern weil die tiefe Bordunsaite („Bas“) zwischen – also „kontra“ – den hier nur zwei Melodiesaiten liegt. Dadurch konnte sie durchgängig gespielt werden, was auch üblich war. Die Silverbasharpa aus dem 19. Jahrhundert funktionierte leicht anders, war aber ebenfalls ein Borduninstrument. Ebenso die ältesten bekannten Vorläufer der Nyckelharpa (Enkelharpa, Moraharpa etc.).

Der Bordunklang der alten Bauformen findet sich noch immer in den traditionellen Stücken und in der Attitüde der Spieltechnik, etwa indem Melodiesaiten, wenn möglich, als Bordun gespielt werden. Man könnte sagen: Die moderne Nyckelharpa ist zwar baulich kein Borduninstrument mehr – in ihr schlägt aber das Herz eines solchen.

Björn Kaidel

Aufmacher:
v. l. Björn Kaidel, Johannes Mayr, Markus Svensson, Fredy Samuel Lundh

Foto: Regina Kunkel

1 Kommentar

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