Eindrucksvoll und makellos

Jenn Butterworth ist eine schottische Akustikgitarristin, bekannt für zahlreiche Kollaborationen, hauptsächlich mit den Kolleginnen des Kinnaris Quintet, aber auch zum Beispiel im Duo mit Laura-Beth Salter oder Will Pound. Dabei ist sie so kooperativ und bescheiden, dass man nie und nimmer ein Soloalbum von ihr erwarten würde. Und dann kommt Her By Design und haut den überraschten Hörer regelrecht vom Hocker! Warum? Weil alles so hundertprozentig stimmig ist und trotzdem ziemlich ungewöhnlich. Als anerkannte Künstlerin der Folkszene eröffnet Butterworth das Album mit dem Sandy-Denny-Song „All Our Days“ und breitet eine regelrechte Soundlandschaft aus, fast schon sinfonisch streicherorientiert. Damit ist der Ton für den Rest in etwa gesetzt. Ein Song von Robin Dransfield, vier traditionelle Lieder und zwei von Butterworth selbst setzen einen dezent feministischen Rahmen. Wann wurde je ein Lied wie „One In Ten“ über Endometriose geschrieben? Nie gehört, sagen die Männer und sollten den Begriff unbedingt mal nachschlagen. Auch das traditionelle „The Housewife’s Lament“ über unbezahlte Frauenarbeit hat Butterworth einfühlsam in die Jetztzeit transportiert. Erstaunlich, dass die Gitarristin dabei nie im klanglichen Mittelpunkt steht und selten mal am Rande zum Zuge kommt. Das Augenmerk der Produzentin liegt auf den musikalischen Themen, die von ihr clever ausgearbeitet und arrangiert werden. Das geht oftmals in Richtung Ohrwurm, hin und wieder mit einer gesunden Prise Pop. Als Paradebeispiel kann „Her Bright Smile Haunts Me Still“ dienen – zeitgenössischer kann Trad nicht klingen. Über allem jedoch die Überraschung des Albums, und das ist Butterworths wunderbarer, sensueller Gesang, der in ihren bisherigen Kooperationen bestenfalls nebensächlich war. Hier steht ihre Stimme im Mittelpunkt der Lieder – und wie sie glänzt! Selten hat sich eine scheinbar geborene Zu- und Zusammenarbeiterin so eindrucksvoll und makellos ins Scheinwerferlicht der Solokünstlerin platziert.

Mike Kamp

Foto: Matthew Arthur Williams