Süden, Seele, Leidenschaft

Der geniale Gitarrist Manuel Randi

16. Januar 2024

Lesezeit: 5 Minute(n)

Er ist ein Akrobat auf der Gitarre. Heavy Metal? Klassik? Gypsy Swing? Folk? Flamenco? Manuel Randi bietet einfach alles, keine Stilistik ist ihm fremd. Er ist ein wahrer Könner seines Fachs. Mit Passion und Seele strömt sein Spiel, ohne sich in Grenzen zu verfangen. Seine Virtuosität erscheint dabei fast beiläufig.
Text: Stefan Sell

Gerade tourt er wieder mit dem Herbert Pixner Projekt, dem grandiosen Quartett um den Multiinstrumentalisten und Meister der Steirischen Harmonika, dem es gelungen ist, Volksmusik völlig neu zu definieren und damit riesige Hallen zu füllen. Eine Sensation, die nicht vom PR-Hype lebt, sondern allein von der Fähigkeit, Musik lebendig werden zu lassen. Im Zusammenspiel ist Randi der alles bestechende Joker. An einem sommerlich heißen Augustabend zwischen Soundcheck und Konzert stand er im Nürnberger Serenadenhof Rede und Antwort.

Einige könnten meinen, er sei im Pixner-Projekt Sideman in zweiter Reihe, ist das überhaupt der Fall? „Das sehe ich überhaupt nicht so. Mit Herbert zusammen zu musizieren, ist fantastisch. Er lässt mir alle Freiheiten, wir sind auf Augenhöhe, und es macht unglaublich Spaß, mit ihm auf der Bühne zu sein.“ Das Miteinander ist Randi wichtig. „Ich liebe es, wenn es zwischen Musikern im Konzert eine Kommunikation gibt, wenn Raum für Improvisation bleibt. In der Lebhaftigkeit dieser Kommunikation liegt auch meine Stärke – ich improvisiere sehr gerne.“ Umgekehrt ist Herbert Pixner auch mächtig stolz, mit Randi die Bühne zu teilen, schwärmt von ihm als „Million-Dollar-Gitarrist“ sowie „schönstem und bestem Gitarristen Südtirols“.

Manuel Randi

Foto: Sepp Pixner

Der Lebensweg des heute 47-Jährigen nahm zahlreiche Verzweigungen. Was hat ihn geprägt? Was war sein Leitstern? Woran hat er sich orientiert? Wonach gesehnt? „Ich bin Südtiroler, aber Italiener. Meine Familie spricht nur italienisch. Ich trage die Sehnsucht nach dem Süden in mir. Wenn ich nach Süditalien, Südfrankreich oder Spanien komme, öffnet sich mein Herz, das gibt mir einfach Drive. Das ist weniger eine Frage der Geografie als ein Lebensgefühl. Ich bin in Südtirol zu Hause und freu mich, wenn ich nach Deutschland oder Österreich komme.“

Seine Begeisterung für Musik begann mit sechs. „Für mich gab es nichts anderes als die Musik. Mein Vater hat zu Hause immer Flamenco gehört, die wundervollen alten Aufnahmen von Manuel Vallejo, Sabicas oder Antonio Mairena. Von Anfang an hat mich dort das Feeling interessiert, das vergleichbar ist mit dem Blues.“ Zudem gab es ein Pianola im Haus, eine Selbstspielapparatur für Klaviere. Als Randi mit sieben Saxofon lernen wollte, war kein Platz dafür frei. „Also habe ich Klarinette gespielt. Tatsächlich habe ich sechs Jahre lang am Konservatorium Klarinette studiert.“

Doch mit zwölf öffnete sich das Tor zur Rockmusik. Randi erzählt: „In der Zeit fühlte ich mich wie ein Rebell. Besonders Heavy Metal hat mich fasziniert, dessen Harmonien und Melodieverläufe im Prinzip wie klassische Musik sind. Ich war ein großer Fan von Iron Maiden. Da habe ich dann angefangen, wirklich Gitarre zu spielen.“ Man sieht Randi an, wie all das lebendig wird vor seinem geistigen Auge, er lächelt und seine ganze Ausstrahlung zeugt dabei von Authentizität, Heiterkeit und Gelassenheit.

Manuel Randi

Foto: Sylvia Grosswand

Dann musste er einen schweren Schicksalsschlag hinnehmen. Sein Vater und auch seine Schwester, kamen bei einem Autounfall ums Leben, als er fünfzehn war. „Danach habe ich gedacht: Im Leben läuft alles gut – bis zu dem Zeitpunkt, wo so etwas passiert! Mein Vater war eine unheimlich wichtige Bezugsperson in Sachen Musik, er hat Musik geliebt, durch ihn bin ich nicht nur dem Flamenco begegnet, durch ihn habe ich die Orgelwerke Bachs kennengelernt. Das hat mich wie ein Vermächtnis bekräftigt. Ihm zu Ehren habe ich den Mut aufgebracht, Musiker zu werden. Alle sagten, wovon willst du leben, wenn du Musiker bist? Ich habe einfach an die Kraft geglaubt, dass wenn man bereit ist zu üben, viel zu arbeiten, Konzerte zu geben und alles, was dazugehört, man selbstverständlich ein Dasein daraus machen kann.“

Als Manuel Randi sechzehn wurde, widmete er sich ganz der E-Gitarre. „Die Übungen für Klarinette spielte ich jetzt auf der E-Gitarre, einfach um ein Gefühl für die Melodie zu bekommen, die reine Melodie mit Trillern und allem Drum und Dran. Diese Übungen haben mich sehr weitergebracht.“ Da es damals weder Youtube-Tutorials gab noch digitale Einstellmöglichkeiten, die Geschwindigkeit eines Videos zu verlangsamen, ließ Randi sich etwas einfallen, um die Soli herauszuhören. „Ich legte Gewichte auf die Schallplatten, damit sie langsamer laufen, und konnte so nachvollziehen, was genau da passiert.“

„Eine Flamencogitarre ist wie ein Fenster zur Seele, man öffnet sich und Leidenschaft tritt hervor.“

Mit siebzehn, achtzehn kreuzte Grunge seine Wege, Soli waren nicht mehr angesagt. „Je schlechter man spielte, je schlechter es klang, desto besser. Da hatte ich persönlich eine Krise. Ich spürte, das mag ich nicht, ich wollte richtig spielen.“ Als Gegenreaktion begann er, auf die klassische Gitarre umzusteigen. „Ich liebe Bach, kann stundenlang Bach üben und über jede Zeile staunen. Wer diese Musik versteht, dem bleibt nichts als Staunen.“ Und er entdeckte den Flamenco wieder. „Ich habe in der Flamencogitarre die Energie von Rock gefunden, bin mit einer Flamencogruppe in Deutschland, Österreich und Italien aufgetreten. Das hat mich richtig gepackt. Da habe ich gemerkt, ich erreiche beim Publikum mehr mit einer Konzertgitarre als mit einer E-Gitarre. Eine Flamencogitarre ist wie ein Fenster zur Seele, man öffnet sich und Leidenschaft tritt hervor.“

Neben den umjubelten Auftritten an der Seite Herbert Pixners tourt Randi erfolgreich mit seinem eigenen Trio, dem Schlagzeuger Mario Punzi an der Cajon und dem Bassisten Marco Stagni. „Wir drei verbringen viel Zeit miteinander. Wenn ich mit meinen Kompositionen komme, fangen sie an zu spielen, und es passt gleich.“ Soeben ist sein neues Album Talèa mit dem Pianisten Alex Trebo erschienen.

Seine Kompositionen sind ein wilder Ritt durch die Gitarrengeschichte, mal sanft betörend, mal voller Energie, hitzig, nahezu eroberungslustig. Er ist so innig mit seinem Instrument, das ihm alles, was er spielt, heilig ist. Umtriebiger und gleichzeitig so entspannt wie Manuel Randi kann kaum einer sein.

www.manuelrandi.com

 

Aktuelle Alben:

Sud (Eigenverlag, VÖ: Januar 2024) Talèa (mit Alex Trebo; Treboton Music, 2023)

 

Videolinks:

Manuel Randi mit dem Herbert Pixner Projekt beim Heimatsound-Festival 2016 mit „Dirty Kathy“: www.youtube.com/watch?v=WRzVkme-5Yk Manuel Randi Trio im Stanglerhof in Fiè allo Sciliar in Südtirol mit „Gatto Nero“: www.youtube.com/watch?v=bScPFbcjt8k

 

Aufmacherfoto:

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