12. Dezember 2025

KUNST KOMMT VON KÖNNERN

K. staunte nicht schlecht, als er im Angebotskatalog der Volkshochschule Könnern den Kunstkurs „Zeichnen wie Gertrude Degenhardt“ entdeckte. Ihre ganzseitigen Illustrationen in diversen Prachtbänden aus der Blütezeit des deutschen Folkrevivals waren ihm noch allgegenwärtig. So zeichnen zu können, hatte ihn bereits damals das Seufzen gelehrt – und nun unverhofft dies: die Chance der Chancen! Pünktlich wie der große Zeiger, bewaffnet mit A2-Block und Stiftekiste, enterte K. den Hort der Bildung, um einzuchecken – und sogleich ernüchtert festzustellen: Er war nicht der Erste. Auch nicht der Zweite. An die drei Dutzend Hobbymaler warteten gespannt, um Zeichnen à la Gertrude zu lernen. Der Raum viel zu klein. Die Teilnehmerschaft viel zu heterogen. Und als Kursleiter entpuppte sich nicht etwa die Künstlerin herself, sondern ein stadtbekannter Althippie, der einst das „Bürgerlied“ in A-Dur gesungen hatte und nun der angefixten Gemeinde zeigen wollte, wie eine Harke aussah, wenn Gertrude sie gezeichnet hätte.

Ten weeks later. Von den dreißig Gertrudianern waren noch vier Degenharte übrig. Zeichnen wie G.D. hatte es wider Erwarten in sich. Weshalb der Kursleiter immer verwogenere Hilfsmittel ersann. Gliedmaßen bei Gertrude, dozierte er, hätten Ähnlichkeit mit in ein Handtuch gewickelten nassen T-Shirts beim Auswringen. Da zum Wringen zwei Wringer nötig seien, teilte er den Kurs: Zwei wrangen, und zwei hieften die erwrungene Wurst in forschen Strichen fest. Tatsächlich begannen die Skizzen dem großen Vorbild zu ähneln.

Die sichtlichen Erfolge befeuerten das Gemeinschaftsgefühl. Bald wurde es zur Gewohnheit, dass die Truppe nach Kursschluss im Feuchten Eck einritt, um bei literweise Dornfelder über Kunst zu reden und den dornigen Weg dorthin. Tsumindesst so lange tie Tsungen dorschhlichten.

Es war – wie im Nachhinein jeder bestätigen wird – eine schöne Zeit. Aber schöne Zeiten neigen dazu, endlich zu sein. Und genau dies bräuchten wir mal jetzt gerade nicht.

in memoriam Gertrude Degenhardt (1940-2025)

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