Wer bei einem Folkmusikensemble sanfte oder gar betuliche Töne erwartet, ist bei Okra Playground an der falschen Adresse. Denn diese finnische Folk-Supergruppe besteht aus Vollblutmusikerinnen – und –musikern, die traditionelles Liedgut aus ihrer Heimat energisch gegen den Strich bürsten. Das Sextett hat auf bislang zwei Alben bewiesen, dass finnischer Folk ziemlich aufregend klingen kann. Album Nummer drei soll im Jahr 2022 herauskommen. Bei Okra Playground treffen „archaische Bass-Sounds“ auf „groovige Melodien“, wie sie es selbst beschreiben. Einige der Bandmitglieder haben einen Hintergrund im Pop- und Rockbereich. Mit Leidenschaft zelebriert das Sextett musikalische Grenzüberschreitungen.
Eva-Maria Vochazer
Musikerinnen und Musiker aus verschiedenen namhaften Formationen wie Mari Kalkun & Runorun oder Rönsy sind bei Okra Playground aktiv. Bei den Vocals ist Frauenpower angesagt. Die Stimmen stammen von Essi Muikku, Maija Kauhanen und Päivi Hirvonen, von denen die beiden Letztgenannten bereits erfolgreiche Soloplatten vorgelegt haben. Die Sängerinnen sind zudem Meisterinnen auf dem finnischen Nationalinstrument, der Kastenzither Kantele, und der archaischen Leier Jouhikko. Vor ihren legendären Landsfrauen, den Vokalartistinnnen von Värttina, müssen sich diese drei Damen nicht verstecken. Veikko Muikku am Akkordeon, Oskari Lehtonen an der Percussion und Sami Kujala am E-Bass vervollständigen das Ensemble. Dass Kujala, der mit seiner wilden Lockenmähne ein wenig an den jungen Roger Daltrey erinnert, in einer Coverband mit Rockschwerpunkt spielt, überrascht nicht wirklich.
Was es mit dem Bandnamen auf sich hat, erläutert Päivi Hirvonen so: „Ich denke beim Begriff Okra an die Farbe Ocker. Irgendwie gelborange, wie die Blätter im Herbst, die schön, mystisch und verspielt sind, so wie ich unsere Musik finde“, sagt sie. Was den Rest des Namens angeht, so weist Essi Muikku darauf hin, dass „die Gruppe ursprünglich eine Spielwiese für uns war – und immer noch ist.“
Mit ihrem zweiten Album Ääneni Yli Vesin („Meine Stimme über dem Wasser“) legten Okra Playground auf hohem Niveau nach und bewiesen, dass es sich bei dem Ensemble keineswegs um keine Eintagsfliege handelt. Einer der Albumhöhepunkte, der Song „Rautasuu“ („Ross der Trauer“) basiert auf einem alten finnischen Volkslied. „Mit Knochen, stärker als die unsrigen, wird ein Ross unsere Sorgen tragen, wenn wir nicht mehr können“, singt die Band hier. Der Track thematisiert die den Finnen sehr vertraute Melancholie, die auch im typisch verlangsamten Tango des Landes präsent ist und entführt in mystische Gefilde, die nichts mit gängigem Mittelalterkitsch zu tun haben. Es gelingt dem Sextett hier mühelos, wuchtige Spannungsbögen aufzubauen. Man spürt hier auch den Einfluss der langen, dunklen Winternächte, die im tiefsten Winter in Finnland gar kein Ende mehr nehmen wollen.
Dass Klatschbasen beiderlei Geschlechts nicht erst seit den Zeiten der Social-Media-Überflutung ziemlich unangenehme Zeitgenossen sind, glaubt man unbenommen, wenn man dem wunderbar überdrehten Track „Juoruaja“ („Klatschmaul“) lauscht. Die Frauenstimmen brechen hier in garstige Sprechgesänge aus. Jeder ach so böse männlich US-Rapper dürfte vor dieser geballten Frauenpower schleunigst Reißaus nehmen.
Die finnische Metalszene spielt im Musikleben des Landes eine sehr wichtige Rolle. Kann schon sein, dass Okra Playground genau diese Kolleginnen und Kollegen im Sinn hatten, wenn sie im Track „Viinavilli“ („Herumgrölender Trunkenbold“) die heimischen Metalheads mit scheinbar rauen Sounds ein bisschen auf die Schippe nehmen. Die Band beherrscht aber auch die anmutigen und beschwingten Töne, wie sie mit dem zarten Song „Kuun Ajo“ „(Den Mond jagen“) beweist.
Eines ist sicher: Langeweile kommt bei Okra Playground aufgrund ihrer abwechslungsreichen Songauswahl nicht auf. Und die Energie, die das Ensemble nicht nur bei seinen Liveauftritten ausstrahlt, ist fast mit Händen zu greifen.
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