Bea Bacher

Schockverliebt in ein Wort

29. Mai 2025

Lesezeit: 4 Minute(n)

Sie schreibt über Flusspferde, allgemein über Tiere und die große Schönheit im Kleinen. Songwriterin Bea Bacher spricht über ihre Musik, Texte und die Angst vor einer Nudeln kochenden Alice Weidel auf Tiktok. 

Text: Wolfgang Weitzdörfer; Foto: Tobias Dellit; Zeichnung Cover: Markus Rapka

Wie kam es zum Titel deines neuen Albums – wo in Stuttgart stehen Flusspferde herum?

Bis jetzt noch nirgends – aber hoffentlich bald. Der Stadt Stuttgart liegt wohl schon länger eine Bauanfrage vor, am Neckar Flusspferde anzusiedeln! Die Flusspferdhofsiedlung, die ich meine, steht aber in Berlin – ein recht trostloser, denkmalgeschützter Bau mit zwei steinernen Pferdeskulpturen im Innenhof, die der brachialen Siedlung etwas Zärtlichkeit abringen. Ich weiß noch genau, wie ich mich in das Straßenschild der Flusspferdhofsiedlung schockverliebt habe, und seither hat mich dieses seltsame Wort nicht mehr losgelassen.

Es kommen ja noch weitere Tiere vor – du liebst Tiere und Musik, kann das sein?

Es kommen haufenweise Tiere vor, aber ich streue sie eher unbewusst über die Liedtexte. Ich halte viel von Tieren, ja. Sie sind für mich vielleicht eine Art Stellvertreter für Unschuld oder so was wie ein Schlüssel in eine Zauberwelt hinter dem Text. Oder wie ein Kleks Lieblingsfarbe, wenn man sich ein Lied als Bild vorstellen will. Der Pinguin, der Flamingo, Kellerasseln und der Schwertfisch machen auf den ersten Blick ja sonst gar keinen Sinn. Der Tanzbär hat eher was mit Weltschmerz zu tun.

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Warum hast du deinen Hund Tomte genannt?

Tomte ist ein Hütehund und passt, in der Theorie, auf seine Lieben auf – genau wie der Wichtel Tomte Tummetott aus einem Bilderbuch von Astrid Lindgren. In Wirklichkeit hat Tomte aber nie besonders gut aufgepasst.

Bea Bacher

Foto: Tobias Dellit

Und wie kam es dazu, dass du ihm ein Lied gewidmet hast?

Wir haben sehr viel Zeit zusammen verbracht – er begleitet mich seit dem Studium. Er war für mich eine Mischung aus der großen Liebe und einem nervigen Mitbewohner, der nie den Abwasch macht oder auch mal bei anderen Leuten ins Zimmer kotzt. „Ich heb das ganze Glück der Welt mit einem Kackebeutel auf“ – also so was wie aus Liebe alles toll zu finden und auch die schrägsten Eigenschaften zu verzeihen. So ein ähnliches Lied könnte ich jetzt über meine Kinder schreiben …

Wie schreibst du deine Lieder?

Ich fange oft mit einer Liste von Wörtern und Sätzen an, die ich grade gut finde. Dazu gehören auch Kunstwörter, die es noch nicht gibt, oder Sätze, die mich selber überraschen oder die ich so noch nirgendwo gelesen habe. Wenn ich ein, zwei Seiten davon gesammelt habe, sortiere ich die schlechten aus und behalte die guten.

„Ich will als Künstlerin gesehen werden und mich gleichzeitig schützen.“

Die bilden dann die Richtung für das Lied. Daraus wird ein Gerüst. Und am Ende fülle ich das Liedgerüst dann nur noch auf mit Gedanken, die dazu passen. Es ist vielleicht so ähnlich wie Bildhauerei. Am Anfang hat man keine Ahnung, aber dann sagt der Stein zu dir: „Schau her, ich will eine vegane Frikadelle werden mit Blumenkranz auf dem Kopf.“ Und dann musst du die Frikadelle nur noch aus dem Stein meißeln.

Wie wichtig sind in der Liedermacherszene von heute die sozialen Medien?

Man ist vollkommen abhängig davon, wenn man gesehen werden will. Gute Vernetzung ist die Lebensversicherung der Szene. Ich habe das jahrelang gemacht und auch besondere Momente gehabt, zum Beispiel als das Musikvideo zu „Tomte“ viral ging. Trotzdem hab ich immer wieder mit der Frage gehadert: Wozu mach ich das eigentlich? Es kostet so viel Zeit. Ich habe gerade Facebook aufgelöst und Instagram auf privat gestellt. Ich will als Künstlerin gesehen werden und mich gleichzeitig schützen. Mich gruselt die aktuelle politische Neuausrichtung einiger sozialer Medien und das Voranschreiten von KI. Ein Dilemma für einen Künstler.

Aktuelles Album: Flusspferdhofsiedlung (Feierabendkollektiv/Hey!blau, 2024)

 

Du hast kein Label im Hintergrund – hast du die Dinge gern selbst in der Hand?

Gute Frage. Ich habe kein Label angefragt. Vielleicht hatte ich Angst, mein Lieblingslabel würde mich nicht nehmen. Vielleicht steckt einem als Liedermacher das Selbermachen aber auch im Blut. Und ehrlich gesagt, hatte ich auch lange nicht richtig verstanden, was ein Label für mich alles macht, was ich nicht kann. Zum Glück gibt es ja mittlerweile Wege, bei denen man zwar kein Label hat, aber trotzdem nicht ganz alleine ist.

Dein Album wurde 2024 für den Preis der deutschen Schallplattenkritik nominiert – was ging dir damals durch den Kopf?

Ich dachte als Erstes, dass sich das Durchhaltevermögen gelohnt hat und es richtig war, an mich zu glauben. Auf dem Weg zu einem Album kann man an vielen Stellen auch einfach anders abbiegen, etwa weil man plötzlich ein Baby bekommt. Und dann kommt das Album einfach nie heraus. Die Dunkelziffer wunderschöner unveröffentlichter Alben in der Welt muss unglaublich hoch sein. Als ich die Namen gelesen habe, die ebenfalls nominiert waren, und Reinhard Mey und Dota Kehr darunter waren, hat sich das auch schön angefühlt. Ich dachte: jetzt kann ich mich innerlich zur Ruhe setzen, denn diese Würdigung ist mir genug.

Wie geht es weiter – wann gibt es neue Musik von dir?

Ich möchte als Nächstes ein Buch über meine Sammlung von Dialogen veröffentlichen, die ich beim Bahnfahren mitgehört habe. Und ich habe ein neues Lied mit der Zeile: „Alice Weidel kocht Nudeln auf Tiktok – wie soll man da seine Ruhe bewahren.“ Vielleicht wird meine neue Musik politischer.

www.beabacher.de

Bea Bacher

Foto: Tobias Dellit

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