Die Geschichte von Tante Friedl beginnt lange bevor der Name überhaupt existiert. Magdalena Kriss und Dan Wall, die beiden kreativen Köpfe hinter dem Duo, finden schon früh in ihrer Beziehung vor etwa zehn Jahren zusammen – auch musikalisch. Gemeinsam spielen sie auf Hochzeiten, Vernissagen und Beerdigungen. Dem folker erzählen sie, was eine gute Performance ausmacht, welche Rituale sie haben und was „Energie-Pingpong“ bedeutet.
In einem Workshop exklusiv hier auf folker.world weiht die Vollblutentertainerin alle, die es interessiert und die mehr wollen als nur Songs „runterrasseln“, in die Geheimnisse des Songwritings ein. Es geht um Authentizität, Bühnenpräsenz, Publikumsinteraktion und die richtige Vorbereitung. Teil 1 des Workshops erscheint in Kürze hier auf folker.world.
Text: Klaus Härtel
Ursprünglich sollte das Duo nur ein Nebenprojekt bleiben. „Wir hatten sogar die Vereinbarung, dass Tante Friedl niemals unser Hauptprojekt werden würde“, erzählen die beiden. Doch dann kam die Pandemie und stellte alles auf den Kopf. Plötzlich war Tante Friedl das einzige Projekt, das noch möglich war – und damit begann ein unerwartetes Wachstum. Vielleicht war gerade dieser entspannte Start das Geheimnis ihres Erfolgs. „Wenn man nicht mit Druck an eine Sache herangeht, bleibt viel mehr Freude und Authentizität erhalten“, sagt Magdalena Kriss.
Groove, Energie und Humor
Drei Worte beschreiben ihren Stil: Groove, Energie, Humor. Als Duo stehen Kriss und Wall vor der Herausforderung, genug Klangfülle und Dynamik zu erzeugen, um einen ganzen Raum zu füllen – und sie nehmen diese Aufgabe ernst. Der Groove, die Energie und die augenzwinkernde Kommunikation im Umgang mit dem Publikum gehören untrennbar dazu.
Eine stilistische Einordnung vermeiden sie bewusst. „Eigentlich wäre es einfacher für alle, wenn man uns in eine Schublade stecken könnte – auch für uns“, lachen sie. Ihre Inspiration reicht von New Orleans Street Music über Electrosounds bis zu Künstlerinnen wie Billie Eilish. Sie schreiben auch eigene Songs, aber vor allem interpretieren sie alte (Volks-)Lieder neu und setzen sie sprachlich und musikalisch in einen modernen Kontext.
Volksmusik als politisches Sprachrohr
Für Tante Friedl ist Volksmusik kein nostalgisches Relikt, sondern eine hochaktuelle Kunstform. „Wir glauben, dass unsere Folkmusik nicht nur ein Dinosaurier der Vergangenheit ist, sondern ein lebendiges und atmendes Spiegelbild der heutigen Zeit – mit einer gesunden Portion historischen und kulturellen Kontexts, der die Gegenwart und Zukunft mitprägt“, sagen sie. „Viele Themen, etwa die Situation der Arbeiter vor zweihundert Jahren, sind heute noch relevant“, erklärt Dan Wall. Kleine Anpassungen oder ein neuer Blickwinkel genügen oft, um alte Lieder wieder zum Leben zu erwecken und gesellschaftliche Missstände sichtbar zu machen – ohne den moralischen Zeigefinger zu heben.
Auf der Bühne: Energie-Ping-Pong
Eine kluge Dramaturgie der Setlist ist für Tante Friedl essenziell – ein Wechselspiel aus Energie und Ruhe, Humor und Ernsthaftigkeit. Auch ein lockerer, humorvoller Einstieg ins Konzert ist entscheidend. Gemeinsames Singen kann ebenfalls ein Eisbrecher sein.
Das Herzstück ihrer Liveauftritte ist der Austausch mit dem Publikum. „Ich nenne es ‚Energie-Pingpong‘“, erklärt Kriss. „Energie wird von der Bühne über die musikalische Performance ins Publikum geschickt. Sie kommt in Form von Aufmerksamkeit und dezenten sowie lautstarken Reaktionen zurück. Dadurch verstärkt sich unsere Konzentration und Freude, die dynamischen Gegensätze, die Bedeutung des Textes und unser Zusammenspiel voll auszukosten. Dies merkt wiederum das Publikum und so entsteht ein gemeinsames Erlebnis, bei dem es im besten Fall pingpongartig hin und her geht.“ Dabei geht es nicht um eine finale Explosion, sondern um ein kontrolliertes Köcheln, das die Dynamik lebendig hält.
Vorbereitung schafft Freiheit
Trotz aller Spontaneität überlassen Tante Friedl auf der Bühne nichts dem Zufall. Ihre Konzerte folgen einem klaren roten Faden: feste Moderationsblöcke, ausgeklügelte Anmoderationen,ut geplante Setlists, bewusst platzierte Höhepunkte. Innerhalb dieser Struktur lassen sie Raum für spontane Ideen und Improvisation.
Ein weiteres Prinzip: Keine Entschuldigungen auf der Bühne. Magdalena Kriss schildert, dass es immer wieder vorkommt, dass jemand vor dem Publikum sagt: „Entschuldigung, ich war gestern erkältet, meine Stimme ist heute nicht perfekt.“ Oder: „Das dauert jetzt ewig mit dem Stimmen, das ist normalerweise nicht so.“ Oder: „Wir spielen das Lied heute zum ersten Mal, wenn es schiefläuft, bitte verzeiht uns.“ Solche Entschuldigungen bringen aus ihrer Sicht das Publikum in eine unangenehme Situation, weil sie die Aufmerksamkeit auf mögliche Fehler oder Unsicherheiten lenken und die Energie der Performance verändern.
Natürlich passieren auch Pannen – etwa eine gerissene Saite mitten im Lied. Dann improvisiert Magdalena Kriss, während Dan Wall blitzschnell die Saite wechselt. Solche Momente erzeugen oft besondere Spannung und können die Stimmung enorm anheben. Schwieriger wird es bei technischen Ausfällen – dann hilft nur Flexibilität.
Nervosität ist für Tante Friedl kein Feind, sondern Teil des Erlebnisses. „Psychologisch gibt es kaum einen Unterschied zwischen Nervosität und Vorfreude“, erklärt Wall. Dieses Wissen hilft ihm, die Aufregung in Energie zu umzuwandeln.
Bühnenrituale und Achtsamkeit
Vor jedem Auftritt haben die beiden kleine Rituale. Das hilft, fokussiert und zugleich verbunden mit dem Moment zu bleiben. Die beiden gehen in Gedanken die Setlist durch, visualisieren den Ablauf. Kriss wärmt konsequent ihre Stimme auf. Für sie ist es wichtig, vor dem Auftritt ein wenig Ruhe zu finden. Sie sammelt Eindrücke des Ortes – sei es ein kleines Dorf, eine Stadt oder ein engagierter Verein – und überlegt, was diesen Platz besonders macht. „Das fließt oft in die Moderationen ein und schafft eine Verbindung zwischen uns und dem Publikum.“
Wall geht meist vor dem Konzert einmal kurz auf die Bühne und durch die Reihen. Oft sitzen dann schon erste Gäste im Saal. Wenn sie sehen, dass da jemand auf der Bühne steht, der vielleicht noch ein Banjo stimmt oder kleine Tests macht, entsteht ein erster leiser Kontakt: neugierige Blicke, manchmal ein leises Lächeln. Für das Duo ist das ein sehr besonderer Moment – ein erstes, ganz unmittelbares Band zwischen ihnen und den Menschen, die gleich ihre Musik hören werden. „Und kurz bevor es losgeht, wünschen wir uns gegenseitig ein schönes Konzert.“
Die nächsten Schritte sind bereits geplant: eine sechswöchige Tandem-Musik-Tour durch Baden-Württemberg, Rheinland-Pfalz und Nordrhein-Westfalen, eine Tour durch Irland, ein neues Album und Träume von musikalischen Abenteuern bis nach Zentralamerika – Tante Friedl bleibt in Bewegung. Immer offen für neue Begegnungen, neue Klänge und das nächste Kapitel ihrer ganz eigenen Musikgeschichte.
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